Zehnte Scene.

[25] Der Wirth mit ihm Viktorl.


VIKTORL. Aber lieber Vater!

WIRTH. Still – still – still und abermahl still! – Ich frag dich nur, warum du dich heute wieder so aufgeputzt hast? und gerad in der Galla aus dem Bürgerstand', die ich am wenigsten leiden[25] kann. Du bist eine Wirthstochter, du mußt höher hinaus. Willst schon schön seyn, so setz einen Florentiner auf, lange weiße Federn drauf; prächtige seidene Kleider, und ein Tüchl von Petinée, das laß ich mir gefallen! Das ist doch noble; – Aber die Tracht, man glaubt g'rad dein Vater ist was g'meins. Und, Tausend Sapperment! das soll kein Mensch von mir glauben!

VIKTORL. Diese Kleider hat halt meine selige Mutter so gern gesehen, und hat immer zu mir gesagt: Viktorl! erheb' dich nicht über deinen Stand, wenn du einmahl glücklich seyn willst.

WIRTH. Deine selige Mutter ist eine unselige Urschel gewesen –

VIKTORL. Schimpf' der Vater nicht über meine selige Mutter, sie war eine brave, rechtschaffene Frau.

WIRTH. Wie gesagt, eine unselige Urschel ist sie gewesen; bey der hat alles nach der alten Zeit seyn müssen, und die alten Zeiten waren gar dumme Zeiten für uns Wirth. Ich möcht mich noch ohrfeigen, daß ich vor so vielen Jahren hab einmahl höflich seyn müssen mit den Gästen! Mein Kappel hab ich allemahl herabnehmen müssen und freundlich seyn, wenn einer einen Gulden verzehrt hat. O Finsterniß! o Dunkelheit unter den Menschen! Jetzt können ganze Gesellschaften Tausende das Jahr[26] hindurch bey mir sitzen lassen, ich mach mich breit – ich rauch' Tabak im Extra-Zimmer, und wenn ich einmahl sag': wie geht's Ihnen denn, Sie – Herr von – Sie! So mag sich der auch nur gleich gratuliren. Das ist so viel, als wenn der chinesische Kaiser einen Orden austheilt.

VIKTORL. Ja, ja, die Gäste sagen ohnehin, der Vater ist jetzt sehr hoffärtig, und behandelt sie alle en bagatelle.

WIRTH. Die Gäst' seyn Dalken, was versteht so ein Gast von einem Wirth.

VIKTORL. Nun, jetzt geh' ich! –

WIRTH. Nichts hast du zu gehen. Du bleibst! Ich hör' mich gern reden in der freyen Luft. Meine Stimme nimmt sich gar zu schön aus. Und mit den Ecksteinen kann ich nicht discuriren. Ich muß mit Menschen reden, und darum hab' ich dich in die Welt gesetzt, du Mensch, damit ich meinen Vorrath von Erfahrungen auskramen kann. Überhaupt, was brauchst du zu eilen? ich glaub' gar, du hast deinen Liebhaber wieder bestellt! Du, den Buben gib auf, oder ich versink' wieder in meine Gemeinheit zurück, und spiel einen altdeutschen Tyrannen auf deinem Rücken.

VIKTORL. Ach, lieber Vater, ich kann den armen Zachariesel nicht lassen! Er würde sich um meinetwillen zu Tode grämen; et hat mich gar zu lieb –[27]

WIRTH. O Finsterniß! O Dunkelheit unter den Menschen. Den armen Zachariesel kann sie nicht lassen. Arm, da reimt sich g'rad drauf: Daß Gott erbarm! Und Zachariesel, das ist ein Nahme, daß einem das Wasser in den Zähnen aufsteigt, Viktorine, mach mich nicht rappelköpfisch, du, einstens eine Schusterinn, du, auf die ich alle meine Hoffnungen gesetzt habe, ein gemeines Schusterweib, ich glaub', ich könnt' einen Guldenwein trinken vor Ärger. Ich werde vielleicht selbst bald heirathen; die schöne Witwe da drunten am Wasser hat mein Herz in Pachtung genommen. Es ist nur noch ein kleiner Umstand, daß die Hochzeit nicht schon lange vollzogen wurde, sie kann mich nicht leiden. Du siehst also selbst ein, daß bey so bewandten Umständen deine Liebschaft auf jedenfall mal a propos kommt. Überdieß wird der Schustermeister, wo dein sauberer Amant als Lehrbub in Condition steht, in ein Paar Minuten ins Polizey- Haus spatzieren. Ich werd ihn Schulden halber setzen lassen – Es wird also klar, daß ich keine unedle Leidenschaft bey dir dulden kann.

VIKTORL. Aber sie gehen mit mir recht grausam und barbarisch um; ich bin ein recht armes Mädel!

WIRTH. Ist nicht wahr, du bist ein reiches Mädel. Sehr reich! Das Wirthshaus beym silbernen[28] Knödel ist mein Eigenthum, und 100,000 fl. werth. Weißt du was 100,000 fl. jetzt sind. Jetzt geh und grüß' mir meinen Bruder. Sag ihm, zwey Fuchsen hab ich mir kauft, es könnt ein Fürst damit fahren! Auch würd ich mir jetzt eine Gemähldesammlung anlegen, weil man mir sagt, daß das noble wäre. Wenn ich's auch nicht verstehe, das macht nichts. Es soll mehr Leuten so gehen, wenn ich's nur hab! Nun! Küß deinem Vater die Hand! Gieb acht, daß dir Niemand zu nahe tritt. Es wäre ewig schade, wenn dir was geschehen sollte, lebe wohl! Viktorine!

VIKTORL küßt ihm die Hand und eilt ab. Gott befohlen, lieber Vater!


Quelle:
Bäuerle, Adolf: Doctor Faust's Mantel. Ein Zauberspiel mit Gesang in zwey Acten. Wien 1819, S. 25-29.
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