8. Metallurgische Arbeiten

[179] Attila, in Werners Tragödie, liegt auf dem harten Boden seines Zeltes und spielt mit seinem Knaben Knabenspiele. Da treten die Abgesandten des byzantinischen Kaisers[179] herein und legen sich und Gold zu den Füßen des Helden. Worauf Attila zu seinem Sohne spricht: »Siehst du, Irnack, daß Eisen besser ist als Gold? Mit Eisen hol' ich's.« Dieser Attila war ein Hunne. Aber die Attilas in seidnen Strümpfen sitzen auf Samt und Gold, und wenn sich ihnen unüberwindliche Festungen übergeben, sagen sie zu ihren Irnacks: »Sehen Sie, Prinz, daß Gold stärker ist als Eisen? Mit Gold zähm' ich's.« Wenn nun jene großen Handwerker, die sich mit dem Eisen nähren und wehren, ihren Wohltätern so wenig achten – wie sollten wir ihn schätzen, die ja gar nicht besser sind als jene, sondern nur kleiner; die ja auch nur geboren, die Früchte zu verzehren, nur minder köstliche? Darum nichts von Pflügen, Eggen, Sensen, Schaufeln und andern solchen Dingen, die in Menge ausgestellt waren. Lassen wir das Eisen naß werden vom Schweiße des bejahrten Landmanns oder rostig vom Herzblute seines jungen Sohnes, der es vergossen, einen gefangenen Tiger zu befreien – wir wollen nur betrachten, was davon zu unsern Spielzeugen verfertigt worden.

An der gefährlichen Grenze des Ernstes liegen die damaszierten Klingen, die man jetzt in Frankreich den echten Damaszenern gleich an Güte verfertigt. Indessen gebrauchen wir sie doch zu Duellen, wenn die Paradeehre fordert, daß wir unser Heldenblut für eine schöne Kasinosache versprützen. Die Franzosen hatten einst in Ägypten große Furcht vor diesen Damaszenerklingen. Sie sagten: so ein Mamluckensäbel spalte einen entzwei wie einen Apfel. Aber Bonaparte lachte sie aus, sagte ihnen, die Dinger täten nicht weh – und die Narren glaubten's ihm auch! Selbst die Rasiermesser werden jetzt damasziert; große Zurüstung gegen einen kleinen Feind! Überhaupt sah man in der Industrieausstellung die Rasiermesser mit großer Ernsthaftigkeit behandelt. Man sah deren von gegossenen Stahl; andere »à dos[180] métalliques«, erfunden, (wie der Fabrikant sich ausdrückt) »pour lutter contre des envieux«. Wer also mit dem Neide zu kämpfen hat, bewaffne sich mit solchen Rasiermessern. Ein dritte Art Rasiermesser, deren Klinge zwischen einer Scheide steckt und nur so viel mit der Schneide herausgeht, als gerade hinreicht, aber nicht weit genug, daß man sich verwundern kann – ist solchen zu empfehlen, die während dem Rasieren an ihre Schulden oder an die Auflösung einer Scharade zu denken gewohnt sind.

Der Fabrikant Alard hat ein eisernes Gewebe erfunden, das er moiré métallique, auch toile métallique nennt. Dieses Metallgewebe ist so fein, daß auf den Quadratmeter beinahe vierzehn Millionen Maschen kommen. (Scheint etwas gelogen zu sein!) Es werden Lichtschirme daraus verfertigt; Halbkugeln über Astrallampen; Schüsseldecken, welche die Luft durchlassen und die Fliegen abhalten; Hutfutterale; Strickkörbe. Diese letztern haben wegen ihrer Zierlichkeit und Wohlfeilheit so großen Beifall gefunden, daß der Fabrikant in vier Monaten sechsundfünfzigtausend Stück davon verkauft hat .... Bettstellen von Röhren, aus Eisen, Messing und Kupfer, sind so leicht und so bequem eingerichtet, daß sie in einen Mantelsack gepackt werden können. Man braucht nur zwei Minuten, sie zusammenzusetzen oder auseinander zu nehmen. Der Fabrikant hat ganz recht, wenn er von ihnen sagt: »Ces lits peuvent être d'une grande utilité pour M.M. les officiers en campagne«. Diese Feldbetten, oder Konstitutionsbetten, oder Prokrustesbetten kommen nicht sehr teuer zu stehen; der Schuh Röhre kostet, je nach deren Diameter, 11/2 bis 41/2 Franken .... Von gegossenem Eisen werden allerlei niedliche Quincailleriewaren verfertigt: Abgüsse plastischer Kunstwerke, Reliefabgüsse von berühmten Gemälden, Tabakdosen, so leicht wie die von Papiermaché und andere solche Dinge ....[181] Das Eisen, das aus einer Fabrik des Herzogs von Ragusa kam, wurde sehr gelobt, wie auch das, das der Marquis von Louvais ausgestellt. Liberale bemerken mit Wohlgefallen, daß die heutigen Marquis ohne Furcht zu derogieren Handel treiben. Sie haben recht, wenn sie das bare Geld lieben; es ist immer gut, sich marschfertig zu halten.

Von Gold und Silber habe ich keine ausgezeichneten Werke gesehen; doch war ein goldner Reliquienkoffer, in Form eines Sarkophags, von schöner Arbeit, und gotischer mit modernem Geschmack glücklich daran verbunden. Der Koffer ist bestimmt, die Sainte-Ampoule zu beherbergen. In meinem 1813 in Frankreich gedruckten deutsch-französischen Wörterbuche steht Sainte-Ampoule übersetzt: »Das Ölfläschchen zur Salbung der ehemaligen Könige Frankreichs.« Eine Wörterbuchversicherungsanstalt wäre etwas sehr Nützliches .... An Kirchengerätschaften von Gold, Silber, Messing, Kristall, an Altarleuchtern, Bischofsstäben, Kreuzen, Monstranzen, gestickten Fahnen, Bischofsmützen war ein großer Überfluß. Die darüber ärgerlichen Liberalen behaupten, daß alle diese Arbeiten geschmacklos wären, und sie geben den Rat, daß man den Kirchenzöglingen in den Seminarien Unterricht im Zeichnen geben solle. Denn – sagen sie – bei einem gebildeten Volke, wie das französische, könnten die Apostel der Wahrheit nur Eindruck machen, wenn sie – zeichnen könnten!

Quelle:
Ludwig Börne: Sämtliche Schriften. Band 2, Düsseldorf 1964, S. 179-182.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Schilderungen aus Paris
Gesammelte Schriften: Band 3. Schilderungen aus Paris (1822 und 1823)