9. Parfümerie

[182] Die Natur selbst braucht Wind, ihre Wohlgerüche zu verbreiten; wie sollten ihn die Parfümeurs entbehren können? Auch ließen sie ihn durch alle zweiundfünfzig Säle des Louvres wehen. Setzen wir uns zuerst dem Luftstrome der gelehrten Frau Delacour, dieser zweiten Madame Dacier, aus. Sie sagt in ihrer Autobiographie: [182] »Outre l'eau de Cologne superfine des connaisseurs et l'eau denti-dolori-fuge, Madame Delacour, qui s'est adonnée à l'étude de la chimie, de la botanique et qui connait la valeur des termes grecs, a composé de la partie la plus pure, la plus volatilisée, la plus ethérée de suc des fieurs, un cosmétique qu'elle appelle axonge, au moyen duquel les dames peuvent, si elles le désirent, donner à leur teint le reflet du taffetas rose; elles l'obtiennent en se frottant légèrement la figure, le soir, avec le bout du doigt trempé dans l'axonge.« Shakespeare hat kühne Bilder in seinen Dichtungen; die Liebe hat noch kühnere; aber gewiß ist noch von keinem schönen Mädchen gedruckt oder gesagt worden: sie habe Lyoner rosentaftene Wangen! Madame Delacour hat die Bildergalerie der Schmeichelei bereichert .... Fargon der jüngere nennt sich »parfumeur du roi, de la cour de France, ainsi que des principaux Souverains d'Europe, d'Asie et de leurs cours«. Er verkauft: Olysérial, libanotis de Chine, Axerasine und Rouge-Vert d'Athènes. Dieses letztere ist eine grüne Schminke, die erst auf den Wangen rot wird .... Treten wir jetzt in den Bazar des Parfums des Herrn Mayer. Dort schimmert's wie in einem Feenmärchen; es ist zum blind werden! Aber ach! Herr Mayer ist nicht glücklich unter seinen Schätzen; er ist, wie alle großen Männer, den Pfeilen des Neides und der Bosheit ausgesetzt. Es wird ein »Imprimé calomnieux« gegen ihn verbreitet, »dicté par l'Envie et la Jalousie«. Aber Herr Mayer weiß seinem Gegner zu antworten und sagt dem »auteur de mille mensonges, de mille et mille calomnies«, was sich gehört. »Mais non – ruft er aus – la passion aveugle toujours le sentiment de la jalousie«!!! Darum wolle er mit den »Suffrages d'augustes personnages« sich begnügen, und er fordere Frankreich auf, in den Louvre zu kommen und seine Parfümerien mit denen seines »pâle imitateur« zu vergleichen.[183] Es wird keinen gereuen, dieser Einladung zu folgen. Junge Mädchen, die sich nicht gern den Kopf anstrengen, können im Bazar des Herrn Mayer in weniger als einer Viertelstunde auf die angenehmste Weise die Geographie erlernen. Sie finden dort: Huile de Macassar, poudre de Ceylon, Fluide de Java, Esprit de Portugal, Savon de Valence, Vinaigre de Malte, Huile de Cachemire, graisse d'Ours de Canade, Rouge de Chine, Sachet de Perse, Bol de Chypre, Poudre de Florence, Poudre de Palma, und noch viele andere Dinge aus Europa, Amerika und Asien. Schade, daß Herr Mayer keine Produkte von den Südseeinseln und von Afrika hat, keinen pâte de Botany-Baie, keinen Esprit de Maroc – an Absatz würde es ihm nicht fehlen, und seine geographische Belehrung würde hierdurch vollständiger werden. Dagegen findet sich bei ihm »Parfum des Salons, en grande réputation à la cour par son odeur incomparable, servant à parfumer les mouchoirs«. Ferner: eine »Composition accélératrice«, welche grobe deutsche Postillone Wagenschmiere zu nennen pflegen. Die Wagenräder einmal damit schlüpfrig gemacht, fährt man 300 Stunden weit mit Blitzeschnelle. Endlich hat er auch ein rotes kölnisches Wasser für blasse Leute. Überhaupt ist Herr Mayer eine wahre Vizenatur. Diese selbst hat nur den Menschen zu schaffen; für das übrige, was zwischen Wiege und Sarge zu tun ist, sorgt ihr alter ego. Er macht die Leute blaß und rot, mager oder dick, läßt die Haare wachsen oder ausfallen, wie man es verlangt; Herr Mayer hat gegen alle Ereignisse des Lebens: Salben, Pulver, Essige, Seifen, Öle und Wasser.

Einen Gegenstand der negativen Parfümerie will ich hier nur kurz erwähnen, ob er zwar mehr zur Zivilbaukunst gehört. »Sièges inodores« waren in der Industrieausstellung von sehr verbesserter Art zu sehen. In Deutschland fehlt es noch sehr hierin. Wahrscheinlich[184] ist man dort nicht gehörig belehrt, wie das »gaz hydrogène«, eine »cause permanente de graves maladies« sei.

Quelle:
Ludwig Börne: Sämtliche Schriften. Band 2, Düsseldorf 1964, S. 182-185.
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Gesammelte Schriften: Band 3. Schilderungen aus Paris (1822 und 1823)