XXVI. Die Industrieausstellung im Louvre

[131] Die französischen Blätter, welche mit sympathetischer Dinte schreiben, nämlich im guten Geiste – was wir so nennen – malten wohlgefällig, glänzend genug, doch[131] freilich auf ihre Art, das Bild aus, wie in den Spielen der Völker sich immer der Ernst ihres Lebens verrate. So bei den Griechen in den Olympischen, Isthmischen und Nemäischen Spielen; so bei den Römern in ihren Gladiatorenkämpfen; so in den Ritterspielen des Mittelalters; so in den spanischen Ketzergerichten; so im venetianischen Karneval; so endlich in den Wettkämpfen des Gewerbfleißes, welche seit zwanzig Jahren in Frankreich eingeführt und deren Schauspiele in dieser letzten Zeit erneuert worden. Die Vergleichung ist wichtig und ersprießlich; nur muß sie das Urteil bald zur gehörigen Gleichung, bald zur gehörigen Unterscheidung führen – welches aber jenen Blättern nicht immer gelungen ist. Die Spiele der Griechen waren nicht Blüten, sie waren Früchte ihres Ernstes. Bei diesem glücklichen Volke saß weder der Staat, noch die Religion, noch Kunst, noch Wissenschaft, noch sinnlicher Genuß alleinherrschend auf dem Throne des Lebens; sie strebten nach einer allgemeinen Ausbildung; das ganze Leben war der Zweck des ganzen Lebens, und sie erfreuten sich einer reinen Demokratie aller sinnlichen und geistigen Kräfte, aller Neigungen und Begehrungen. Nicht nur die Völkerschaften, Städte und Gemeinden: alle Glieder, Sinne und Organe des Körpers, alle Kräfte, Fähigkeiten und Empfänglichkeiten der Seele schickten ihre Abgesandten und Vorsteher nach Olymp. Es war ein Erntefest, wie wir seitdem kein zweites sahen. Rom, von einer Wölfin gesäugt, war raubgierig bis zu seinem Untergange, und als das Lamm den Wolf verzehrt, ging das Blut des Wolfes in die Adern des Lammes über; die Raubsucht blieb, nur daß das listige Fischernetz an die Stelle des offen drohenden Gebisses kam. Im Kriege tauchte Rom sein Schwert, im Frieden seine Blicke in Menschenblut – das waren die Gladiatorenkämpfe. In den Ritterspielen war das Spiegelbild nicht eines schönen, doch eines würdigen Ernstes.[132] An die Stelle der jungfräulichen Grazien waren Religion, Liebe und Tapferkeit getreten und pflegten mütterlich das Leben – derer, die eins hatten. Das Volk lebte nicht. Doch war jene Zeit immer schöner, als eine spätere; denn es ist besser, daß viele vieles, als das alle nichts sind. In den Lustfeuerwerken der spanischen Inquisition leuchtete der gräßliche Wiederschein eines gräßlichen Ernstes. Das spanische Volk, wahnsinnig fromm, begoß mit Menschenblut die himmlische Palme. Und man wolle nicht sagen, nicht das Volk habe das getan, sondern die geistliche Macht, die es niedergehalten – jede Tyrannei, die ein Volk duldet, übt es selbst, und es hat sie zu verantworten. Auf der hohen Leiter der Sünden steht Schwäche auf der ersten Sprosse, Feigheit auf der zweiten, und über diese weg muß die Macht schreiten, will sie zum Gipfel klettern, wo die Tyrannei sitzt. Das venetianische Karneval war, abgerechnet was christlicher Kultus überall in diese Lustbarkeit gebracht, eine Spielübung der Eifersucht und der Untreue, der Herrschbegierde und der Freiheitsliebe; Männer und Frauen, Herrscher und Untertanen vermummten sich, jene, um zu lauern, diese, um der Lauer zu entgehen. Aber von allen jenen Abbildern des Volkslebens weit verschieden sind die Wettkämpfe, welche die neuen Franzosen auf dem Felde des Kunstfleißes anstellen. Dort war es immer ein sittlicher Zweck, ein guter oder ein schlechter, ein schöner oder ein häßlicher, der spielend erstrebt wurde; immer wurde die Kindlichkeit der Entsagung oder der Wahnsinn der Selbstverleugnung oder der mutige Gebrauch der ausgebildeten Herrscherkraft angefeuert und belohnt. Hier aber wird nichts getrieben und vergolten als der Verstand des Eigennutzes. Zwar bemerken die Liberalen tückisch und schadenfroh: im Flore des französischen Kunstfleißes zeige sich die Frucht der Macht, die sich seit der Revolution der Bürgerstand angeeignet, wie auch die[133] Saat der künftigen Macht, die er noch zu erwerben gedenke – und freilich ist es so. Ist das aber ein erquicklicher Zustand? Ist das ein wohltuendes Schauspiel? Bei den Griechen war die Freiheit ein Geschenk der Götter, das man nur verlor, wenn man es verschmähete; jetzt ist die Freiheit der Sold der Arbeit, den man oft nicht erlangt, auch wenn man ihn verdiente. Bei den Griechen war das Volk das Positive, die Regierung das Negative, der Wille war im Volke, die Widerstrebung in der Regierung – wie es auch die ursprüngliche und einzige Bestimmung jeder Regierung ist, sich dem Mißbrauche der Freiheit zu widersetzen. Jetzt aber ist die Regierung das Positive und das Volk das Negative, der Wille ist in der Regierung und das Hindernis im Volke, und wir alle sind so gut erzogen, daß selbst die heftigsten Liberalen ihre Wünsche zu nichts höherm hinaufschwindeln, als nur eine recht starke Opposition zu haben. Ist dieser Kriegszustand ein erfreulicher? Ist es erquicklich, zu sehen, daß ein Volk die Macht belagert und daß die Macht auf das Volk ausfällt? Gewiß nicht; und ist das die Zufriedenheit, welche der Reichtum des französischen Bürgerstandes jenen Wortführern einflößt, dann sind sie sehr genügsam oder sehr unverständig.

Will man genau ausmessen, wie weit die Wettkämpfe der Franzosen von denen der genannten alten Völker an sittlicher Bedeutung abstehen: so vergleiche man die Preise, die hier und dort den Siegern erteilt worden. Die Art des Kampfpreises ist gleichgültig; Orden, Medaillen oder Kränze von Olivenblättern – sie waren alle sinnbildlich. Aber wie verschieden ist die Wirkung, die sie hier und die sie dort bei den Siegern hervorgebracht! Diagoras von Rhodus, ein Mann, ausgezeichnet durch Tugenden und Geburt, führte zwei seiner Söhne zu den Olympischen Spielen und sie gewannen beide den Preis. Kaum hatten sie die Krone erlangt, als sie sie auf[134] das Haupt des alten Vaters setzten, diesen auf ihre Schultern hoben und ihn unter der zujauchzenden Menge herumtrugen. Das frohlockende Griechenland warf Blumen auf Vater und Kinder, und einige riefen: »Stirb, Diagoras; du hast nichts mehr zu wünschen!« Und auf dieses Gebot starb der Greis, niedergedrückt von der Last seines Entzückens ... Ein anderer hatte im Wettrennen gesiegt; aber die Richter versagten ihm den verdienten Kranz, weil er seinem Mitbewerber ein Bein untergestellt, welches gegen die strenge Ordnung war. Über diese getäuschte Hoffnung verlor der Unglückliche den Verstand, stürzte im Wahnsinn in eine Kinderschule, warf die Säule um, die das Dach trug, und sechzig arme Kinder wurden zerquetscht! – Mehr als hundert französische Fabrikanten haben Ehrenkreuze oder goldene Medaillen erhalten; aber gewiß hatte keiner unter ihnen einen Vater, den aus Entzücken, daß sein Sohn et Compagnie im Wollentücherwettkampf den Preis gewonnen, der Schlag gerührt. Tausend andere Fabrikanten, die sich um den Preis bewarben, haben ihn nicht erhalten, und man hat nicht gehört, daß einer von ihnen den Verstand verloren und in seinem bedauernswürdigen Wahnsinne unter dem Fabrikpreise verkauft. Das ist der Maßstab für sonst und jetzt.

Treffender ist eine andere Vergleichung, welche jene Blätter angestellt: eine Vergleichung der jetzigen Zeit nicht mit der ältesten, sondern nur mit einer ältern. Sie führen die Einbildungskraft des Lesers in die Mitte eines Ritterturniers am französischen Hofe. Der König auf seinem Thron; die herrlich schönen Frauen; alle die lebensfrohen kräftigen Ritter! Seht die schimmernden Waffen, den Samt, die Seide, das Gold, das reiche Pferdegeschirr, den glänzenden Stahl, die stolzen Reigerfedern! Welches Leben! Welche Fülle des Lebens! Aber reißt die Schranken weg, die den Kampfplatz umgeben, und dahinter[135] ist ein bleiches Volk in Lumpen! Aber diese Waffen, diesen Samt, dieses Gold, dieses Pferdegeschirr, diesen Stahl, diese Reigerbüsche, diese kostbare Seide, dieses Leder sogar – Syrien, Persien, Italien, Venedig, Belgien, Mauritianien haben das alle herbeigeführt und verkauft; nichts davon wurde in Frankreich von Franzosen verfertigt. Am Hofe war Laster, List und Reichtum; im Volke war Unwissenheit, Tölpelhaftigkeit und Armut.

Fast merkwürdiger als das Schauspiel dünkte mir der Schauplatz der Industrieausstellung. Im Louvre fand sie statt; in diesem Louvre, das Jahrhunderte die mächtigsten Könige der Welt bewohnten, das nie ein bürgerlicher Fuß betreten, er müßte denn gekommen sein, dankend oder bettelnd hinzuknieen! Hunderttausende von Bürgern und Handwerkern gingen nun mit bestäubten Füßen in den königlichen Sälen auf und ab; und die herrlichen, so berühmten Säulenreihen waren ihrem Ergötzen und ihrem nahen Erstaunen preisgegeben, und sie sahen von dort auf den Platz hinab, von welchem fünf Menschengeschlechter nur immer ehrfurchtsvoll hinaufgesehen! Das französische Volk hat sich die Ehre des Louvre genommen – das ist nicht etwas, das ist viel.

Das ganze erste Geschoß des ein Viereck bildenden Louvres, dessen vier Seiten den Hof einschließen, war den Industrieerzeugnissen eingeräumt. Sie füllten zweiundfünfzig größere und kleinere Säle aus. Die Anordnung, welche die Behörde sowohl zur Bequemlichkeit und Sicherheit der Zuschauer als zur bequemen und gefahrlosen Aufstellung der Waren getroffen, war musterhaft. Unter dem östlichen Tore des Palastes waren zwei gegeneinander über befindliche Türen für den Eingang, unter dem westlichen Tore, ebenso, zwei für den Ausgang bestimmt; so daß die Kommenden und Gehenden nicht aufeinander stoßen und sich hindern konnten. Obzwar die Säle des ganzen Geschosses alle in Verbindung stehen[136] und man ihre Reihen durchwandern kann, ohne umzukehren, so war doch, um den Strom der ungeheueren Menschenmenge zu teilen, die Einrichtung getroffen, daß man, in die Mitte der Zimmerreihe gelangt, wieder in den Hof hinabsteigen mußte, um von einer andern Seite wieder hinaufsteigend, die zweite Hälfte zu durchgehen. Die Produkte waren längst der Wände aufgestellt, und durch starke hölzerne Geländer wurde das Gedränge von ihnen abgehalten. Über dem Eingang jedes Zimmers hing eine Tafel mit einer Nummer und Bezeichnung der Gattung von Waren, die man hier zusammengestellt. Jeder Fabrikant hatte auch eine eigene Nummer, und diese Nummern und Klassifikationstafeln korrespondierten mit dem gedruckten systematisch eingerichteten Katalog. Die Verzierung der Warenbuden blieb den ästhetischen Grundsätzen jedes einzelnen Fabrikanten überlassen, und hier zeigte sich überall die Gefallsucht und der gute Geschmack, welche den Franzosen so eigen sind. Sie hatten ihre Buden wie Tempelchen, wie Heiligenkapellen, wie Thronhimmel mit dem gehörigen Unterbau ganz theatralisch ausgeschmückt. Kein Produkt war so schön, daß sie es nicht durch eine schickliche Umgebung noch zu verschönern wußten; keines war so unbedeutend, daß sie nicht verstanden, ihm durch eine gewisse Anordnung einen Glanz zu geben. Bis auf die Nähnadeln und eisernen Feilen, die man zu großen strahlenden Sonnen um einen Mittelpunkt vereinigt, war alles eingerichtet, die Sinne zu bestechen und das Urteil zu gewinnen. Die Zeuge zur Bekleidung waren auf das Verführerischte drapiert, und manche schöne unschuldige Frau mochte die Qualen des Tantalus gefühlt haben.

Fünf Tage der Woche war die Industrieausstellung dem breiten, zwei Tage dem hohen Publikum geöffnet. An diesem Tage nämlich konnte man nur vermittelst einer Einlaßkarte in den Louvre kommen. Zwar war es jedem[137] leicht, sich eine solche Karte zu verschaffen, bis die Zahl erschöpft war; indessen befleißigte sich die vornehme Welt, sich nur an diesen Galatagen im Louvre zu zeigen. Diese Einrichtung, wie manche andere gleicher Art, war aber darum so getroffen, um den rekonvaleszierenden Parisern nach und nach wieder Geschmack für aristokratische Kategorien beizubringen.

Eigentlich ist die Industrieaustellung bestimmt, Muster von neuen, von vervollkommneten oder solchen Waren zu vereinigen, die bei gleicher Güte sich durch wohlfeilen Preis auszeichnen. Eine Jury in jedem Departement entscheidet, was würdig sei, zur Ausstellung zu gelangen. Indessen soll sich dieses Mal die Jury nicht sehr anspruchsvoll bezeugt haben, so daß manches zur Preisbewerbung zugelassen wurde, was diese Ehre gar nicht verdiente. Auch hatte die oberste Verwaltungsbehörde den Präfekten sehr angelegentlich aufgetragen, die Fabrikanten ihrer Departements zu vermögen, daß sie ihre Erzeugnisse nicht bloß in eben zureichenden Mustern, sondern in ganzen Stücken und in Menge aufstellten. Auf diese Weise hat die Industrieausstellung, die bei weitem nicht so glänzend war, als es die vorige im Jahre 1819 gewesen, dennoch einen doppelt großen Raum eingenommen, und sie ist zur wahren Messe geworden. Die liberalen Blätter sagten, dieses sei geschehen, um der Aufmerksamkeit der Pariser, die man von dem spanischen Kriege abziehen wollte, ein breiteres Schauspiel zu geben, und auch um zu verbergen, welch einen nachteiligen Einfluß der Krieg auf Handel und Gewerbe gehabt. Ob jene ewigen Zänker recht haben oder nicht, daran ist nichts gelegen. Ist im prosaischen Klima unseres Weltteils Industrie die Wurzel der Freiheit, so ist es gleichgültig, ob die Hofgärtner für das Interesse des Tages oder für ein dauerndes, aus Eigennutz oder für das allgemeine Wohl das Obstbäumchen pflegen. Es wird Früchte tragen; der[138] Eingeweihte merkt auch hier die List des Himmels, spottet der betrogenen Betrüger und sagt dem Vertrauten leise und lächelnd ins Ohr: die Vorsehung fischt wieder im Trüben!

Daß die französischen Fabrikanten, welche an der Industrieausstellung teilgenommen, an Gewinnsucht und Eitelkeit miteinander gewetteifert haben werden, das läßt sich wohl denken. Auch ist es so leicht zu erklären als zu entschuldigen. Ist ein einzelner Mensch eitel, mag man es verzeihen; hat er Verdienste, wer gibt sich die Mühe, unsere Vorzüge zu verkündigen, wenn wir es nicht selbst tun? Hat er keine Verdienste, dann läßt uns das die Güte der Natur mit Dank erkennen. Dem einen gibt sie bare Vorzüge, dem andern das Papiergeld der Einbildung, und so wird jeder zufriedengestellt. Ist aber ein Volk eitel, so ist das abgeschmackt und gar nicht zu entschuldigen; denn jenes Surrogates der guten Eigenschaften bedarf es nicht, weil es kein Volk in Europa gibt, das nicht durch irgend einen Vorzug andere Völker überragte, und es braucht auch nicht der Herold seiner eigenen Verdienste zu sein, weil Neid und Eifersucht nie vermögen, die glänzende Seite einer Nation in Schatten zu stellen. Darum sind die Franzosen mit ihrer Nationaleitelkeit so unerträglich; darum sind ihre liberalen Schriftsteller, die diesen Nationalegoismus zu erhalten und zu verstärken suchen, so sehr zu verdammen. Auch in ihren Berichten über die Industrieausstellung haben sie bei jeder Gelegenheit auf die Geschmacklosigkeit der Engländer einen hämischen, auf die niedere Bedeutung deutschen Kunstfleißes einen stolzen Blick geworfen. Man könnte sie fragen: ist dieses Silbergeschirr geschmackvoller, weil es in London minder geschmackvoll verfertigt wird? Ist dieser Zeug besser, weil ihn die deutschen Fabrikanten nicht so gut zustande bringen? Statt mit allen Völkern in Frieden zu leben – nicht im Waffenfrieden,[139] den zu zerstören oder zu erhalten ja nur den Regierungen obliegt; sondern im geselligen Frieden, wobei sich die Völker gegenseitig achten, ihre Vorzüge gegeneinander austauschen und ihre Mängel wechselseitig ergänzen – suchen die liberalen französischen Schriftsteller ihr Volk im Hochmute zu isolieren; und da ihnen hierbei kein böser Wille zuzuschreiben ist, sondern nur Unverstand, so möchte man sie lieber schon Vormittag als erst Nachmittag in ein Tollhaus sperren. Aber sie werden Frankreich noch unglücklich machen. Denn käme einst in diesem Lande eine Regierung auf, die nicht den mäßig guten Willen der jetzigen hätte, dann würde sie die von den Freiheitsmännern genährte Eitelkeit der Franzosen benutzen, sie zu Eroberungen nach dem verhaßten England oder dem verachteten Deutschland zu führen, und das leichtsinnige Volk eilte jubelnd zur Fahne und würde erst, nachdem es siegreich zurückgekommen, mit Schrecken gewahr werden, daß man unterdessen das Kartenhaus ihrer Konstitution tückisch umgeblasen!

Ehe ich zu dem einzelnen der Industrieausstellung übergehe, fühle ich mich verpflichtet, zu bemerken, daß mir zu einer gehörigen Darstellung dieses wichtigen Schauspieles gar viele Kenntnisse fehlen. Zu einer solchen gebührlichen Beschreibung müßte man das Fabrik- und Maschinenwesen verstehen; man müßte die verarbeiteten Naturprodukte kennen; mit dem innern Verbrauche und der Ausfuhr der Waren bekannt ist. Um der französischen Industrie in ihrer jetzigen Beschaffenheit den gehörigen Rang anzuweisen, dürfte auch einem die der übrigen Länder nicht fremd sein. Und gar viele Einsichten würden noch erfordert, die mir mangeln. Indessen beruhigt mich der Gedanke, daß eine solche gründliche nationalökonomische Darstellung zu einem Ernste führen würde, welche den Lesern, für welche diese Blätter bestimmt sind, nicht willkommen wäre. Ich werde von solchen[140] Dingen sprechen, die auch jedem andern auffallen würden – weil sie glänzen, weil sie schön sind, weil sie zu täglichem Gebrauche bestimmt, eine ungewöhnliche Form haben oder weil sie zu einem ungewöhnlichen Gebrauche bestimmt sind; von Dingen endlich, die man gern selbst besitzen oder lieben Freunden und Freundinnen schenken möchte, wenn man Geld genug hätte, sie zu kaufen. Wer aber die Industrieausstellung gesehen und nicht imstande war, sich manches Gefällige anzueignen, der durfte doch zwei kostbare Erfahrungen ganz unentgeltlich mitnehmen: wie vieles der Mensch nicht entbehren und wie vieles er entbehren kann.


Quelle:
Ludwig Börne: Sämtliche Schriften. Band 2, Düsseldorf 1964, S. 131-141.
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