[H2, Szene 8]

[164] Woyzeck. Louisel Marie


LOUISEL [MARIE]. Gute Tag Franz.

FRANZ [WOYZECK] sie betrachtend. Ach bist du's auch! Ey wahrhaftig! nein man sieht nichts, man müßt's doch sehen! Louisel [Marie] du bist schön!

LOUISEL [MARIE]. Was siehst du so sonderbar Franz, ich fürcht mich.[164]

FRANZ [WOYZECK]. Was eine schöne Straße, man läuft sich Leichdörn, es ist gut auf der Gasse stehn, und in Gesellschaft auch gut.

LOUISEL [MARIE]. Gesellschaft?

FRANZ [WOYZECK]. Es gehn viel Leut durch die Gass, nicht wahr? und du kannst reden mit wem du willst, was geht das mich an! Hat er da gestanden? da? da? grad so bey dir? so? Ich wollt ich wär er gewesen.

LOUISEL [MARIE]. Ey, er? Ich kann die Leut die Straße nicht verbieten und wehrn, daß sie ihr Maul mitnehm wenn sie durchgehn.

FRANZ [WOYZECK]. Und die Lippe nicht zu Haus lasse. Es wär Schade sie sind so schön! Aber die Wespen setzen sich gern drauf.

LOUISEL [MARIE]. Und was ne Wesp hat dich gestoche? du siehst so verrückt aus wie n'e Kuh, die die Hornisse jagt.

FRANZ [WOYZECK]. Mensch! Geht auf sie los.

LOUISEL [MARIE]. Rühr mich an Franz! Ich hätt lieber ein Messer in de Leib, als dei Hand auf meine. Mei Vater hat mich nicht angreifen gewagt, wie ich 10 Jahr alt war, wenn ich ihn ansah.

FRANZ [WOYZECK]. Weib! – Nein es müßte was an dir seyn! Jeder Mensch ist ein Abgrund, es schwindelt einem, wenn man hinabsieht. Es wäre! Sie geht wie die Unschuld. Nun Unschuld du hast ein Zeichen an dir. Weiß ich's? Weiß ich's? Wer weiß es?

Quelle:
Georg Büchner: Sämtliche Werke und Briefe. Band 1–2, Band 1, Reinbek 1967–1971, bzw. München 21974, S. 164-165.
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