Antwort an Gottfried August Bürger

[235] Η μεν εμαρνασϑην εριδος περι ϑυμοβοροιο

Ηδ αυτ εν φιλοτητι διετμαγεν αρϑμησαντε.

Diese Helden kämpften aus heißer Begierde des Ruhmes,

Und dann schieden sie wieder mit Freundschaft auseinander.


Homer. Ilias 7.


Fried' und Freude dem Sänger zuvor, und traulichen Handschlag!

Sieh, ich habe dein Zürnen vernommen am fernen Gestade,

Hörte den Flügelschlag deines Gesangs; melodische Stürme

Deiner Leier erhuben ihn hoch; ein Riesenadler

Steht er vor mir, mit dräuender Klaue, mit rüstigem Fittich;

Und schon zürnt' ich entgegen. Da faßte mich Pallas Athänä

Bei den goldnen Locken; ich wandte mich sträubend; mein Auge

Staunte zurück, vom Blitze der göttlichen Augen getroffen.

Sieh, ich bebte nicht dir; ich bebte der furchtbaren Göttin.

Sie verschwand; da war mir, als atmet' ich liebliche Düfte,

Läg' am blumigen Hange des Helikon, unter der Kühlung

Wehender Schatten, an Aganippens Silbergesäusel.

Nun erwacht' ich, und zürnte nun wieder, und griff zu der Leier.

Aber es hatte die jüngste der Musen die Leier umstimmet,

Daß sie nicht tönte, wie sonst, wie Donner, wie Stimmen der Meere,

Sondern wie Lispel des schwankenden Schilfes, wie zärtliche Klagen

Junger Nachtigallen auf blühenden Zweigen der Myrten.[235]

Und mir kehrte die Weisheit zurück; sie pflückte den Ölzweig,

Den ich dir reiche; sie redet durch mich; vernimm und sei weise!


Siehe, zwar kränzen uns Locken der Jugend, doch rauschet der Lorbeer

Über den Locken; es kühlt die Palme den Schweiß an der Stirne.

Früh betraten wir beide den Pfad des ewigen Ruhmes,

Früh erreichten wir beide das Ziel. Auf trotzenden Felsen

Stehn wir, und lächeln entgegen dem Strome der kommenden Zeiten.

Hier besuchen uns oft Kronions liebliche Töchter,

Lehren uns oft die eigne Leier beseelen, und bringen

Oft herab vom Olymp die Harfe des Mäoniden.

Laß uns beide das heilige Lied des göttlichen Greisen,

Unserm Volke singen; wir lieben den Göttlichen Beide!


Freund, gehabe dich wohl! Ich kenne die rufende Stimme,


Höre wiehern die feurigen Ross' am flammenden Wagen;

Siehe, mir winket die Mus'; ich folge der winkenden Göttin!

Quelle:
Bürgers Gedichte in zwei Teilen. Teil 1: Gedichte 1789. Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart 21914, S. 235-236.
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