Geweihtes Angebinde, zu Louisens Geburtstage

[94] Kann denn nur der Vater Pabst allein

Schwerter, Kerzen, Amulett' und Ringe

Für die Frommen seiner Kirche weih'n,

Daß kein Leid und Unheil an sie dringe? –


Freilich rühmt er sich mit stolzem Sinn

Gottes höchsten Priester auf der Erde;

Aber ich, auch ich weiß, was ich bin,

Weiß, daß ich ihm nimmer weichen werde.


Denn ich bin zu hoher Priesterschaft,

Nicht, wie er, von Menschen auserkoren,

Bin dazu empfangen und geboren

Und emporgesproßt durch Gottes Kraft!


Bin geweiht zum Priester des Apoll

Mit des Gottes Kranz und goldnem Stabe!

Seines Geistes bin ich froh und voll;

Warum nicht auch frommer Wundergabe? –


Ja, ich bin's! So weih' ich betend dann

Dieses Band mit Wunderkraft und Segen,

Daß ich's an Louisens Busen legen,

Und damit Ihr Herz beglücken kann;


O ein Herz, des besten Glückes wert!

Das ich nie zu rühmen mich bestrebe,

Weil der schönste Name, den ich gebe,

Doch dies Herz noch nicht genugsam ehrt. –


Band, ich segne dich mit Freud' und Lust,

Für das längste Leben, sonder Grämen;

Diesen Segen sollst du in die Brust

Meiner edlen Freundin reichlich strömen!
[94]

Freud' und Lust an Ihrem braven Mann

Ein Jahrhundert, oder nicht viel minder,

Freud' und Lust an allem ab und an,

An und ab dem Kleeblatt holder Kinder;


Freud' und Lust, von keinem Harm vergällt,

Sei durch dich Ihr in die Brust gegossen,

Freud' an Gottes ganzer weiter Welt,

Mich, den Priester, auch mit eingeschlossen!


Quelle:
Bürgers Gedichte in zwei Teilen. Teil 1: Gedichte 1789. Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart 21914, S. 94-95.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte (Ausgabe 1789)
Die schönsten Liebesgedichte (insel taschenbuch)
Gedichte: Ausgabe 1789