Himmel und Erde

[87] In dem Himmel quillt die Fülle

Heiß ersehnter Seligkeit.

Ich auch, wär' es Gottes Wille,

Tränke gern aus dieser Fülle

Labsal für der Erde Leid;


Für den Wurm, der meiner Tage

Rosenblüte giftig sticht;

Dessen Schmerz ich in mir trage,

Den ich Arzt und Priester klage:

Aber ach! das hilft mir nicht.


Längst sind über Thal und Hügel

Alle Freuden mir entflohn.

Lahm sind meiner Hoffnung Flügel.

Rauher Hindernisse Hügel

Sprechen selbst den Wünschen Hohn. –


Dennoch setzt' ich auch auf Erden

Gern noch fort den Pilgerstab.

Sollte Molly mir nur werden,

Trüg' ich aller Welt Beschwerden

Noch den längsten Pfad hinab.
[87]

Quelle:
Bürgers Gedichte in zwei Teilen. Teil 1: Gedichte 1789. Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart 21914, S. 87-88.
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