Nachschrift.

[474] Mein Sagenbüchlein liegt jetzt vollendet vor mir. Machte es mir auch manche Freude, wie ich es einzeln sammelte, hier und dort neuen Stoff fand, der mir theils ganz unbekannt, theils nur gering bekannt war, schien es sich mir auch da weit auszudehnen und viel zu umfassen, so treten mir doch jetzt, da alles gesammelt und geordnet steht, die vielen Lücken nur zu sehr entgegen und vermehren den Wunsch in mir, daß diese Blätter mir einige Freunde gewinnen mögen, die mich gütigst unterstützen, um diese vielen Lücken auszufüllen und zu bewirken, daß alles sich mehr rundet und schließt. Sie werden mich höchlich verbinden, wenn sie ihre Zusätze entweder geradezu an mich, zur Zeit in Breslau, oder an die Verlagshandlung, unter meiner Adresse, schicken wollen.

Betrachte ich manche Abtheilung, so erscheinen die darin erzählten Sagen etwas flach und nüchtern,[475] aber diese Schuld liegt in dem Lande selbst, in dem sie entstanden, das nicht ein volles, saftiges, üppiges Gewächs, wie andere Länder und Theile Deutschlands, zu treiben vermochte. So ist diese Nüchternheit wieder karakteristisch und wenn manche Leser mir dafür nicht Dank wissen möchten, daß ich diese Sagen mittheile, so hoffe ich dagegen mir den Dank derjenigen zu gewinnen, die diese Sagen verschiedener Gegenden gegen einander stellen wollen, um das sich schon früher entworfene karakteristische Bild der Nazion daran zu bewähren, oder es sich erst neu zu entwickeln. Die Gestalt, in welcher die Natur in einem Lande erscheint und auf das Gemüth der Einwohner Eindruck macht, bildet sich auch in ihren Volksdichtungen mehrentheils nach, und so liefern uns die Gebirgsgegenden die schönsten und kräftigsten Sagen, so wie auch die ältesten, da noch nicht der wandelbare Geist so sehr in ihnen die Oberhand genommen, der die Ebenen beherrscht.

Möge dies Büchlein meinen Lesern und mir nur Freude bereiten. Im Januar 1812.


B.[476]

Quelle:
Johann Gustav Büsching: Volks-Sagen, Märchen und Legenden. Leipzig 1812, S. 474-477.
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