Zwischenspiel.

[197] HERZOG.

Der Satan ist ein ganz gediegner Kerl!


Zum Tollhausinspector.


Die Höll' ist ihnen übel nicht gelungen!

Ist, freilich, auch was Tolles.

BRUNO.

Die Idee

Nichts weniger als toll!

HOFRATH WERDER.

Die tollste nämlich

Von allen, meiner Meinung nach.

OPITZ.

Sie selbst

Doch glauben an den Teufel, Herr Collega!

WERDER.

Ich – an den Teufel?

OPITZ.

Sagten Sie nicht einst:

»Oft sieht ein Kurfürst, was der Höllenfürst gethan,

Aus eitlem Stolz für eigne Arbeit an.«

Sie haben viel Vortreffliches gesagt;

Doch nichts Vortrefflicheres!

WERDER.

Das war damals!

Ich zweifl' an Allem jetzt.[198]

OPITZ zum Prinzen von Ellenbogen.

Was sagen Sie,

Mein Prinz, zur Höll'?

PRINZ VON ELLENBOGEN.

Ich, Herr Geheimrath?

Recht nett! Die letzte Scene war recht nett –

Doch, Sie gestehn mir, etwas gar zu dunkel,

Und zu geschmacklos.

OPITZ.

Allerdings.

HERZOG.

Zum Teufel!

Sie wollen in der Hölle selbst Geschmack?

PRINZ VON ELLENBOGEN.

Du goût! vor Allem! überall!


Zu Mad. Dauphin.


Ich hab'

Einst in Paris, in Ihrer großen Oper,

›Ne Höll‹ – ›ne Höll‹ –


Er legt die zwei Kußsingerspitzen auf seine Lippen.


Es war ganz zum Entzücken!

Man kann nichts Schönres sehn! – zumal die Psyche!

Wir Deutsche haben kein' Idee davon.

MAD. DAUPHIN.

Sie haben eine doch?

PRINZ VON ELLENBOGEN.

Erst seit Paris –

Sie geben mir noch viele. Hätt' ich lange

Das Glück – ich würde ganz Idee.

MAD. DAUPHIN.

Sie sind

Gar zu galant! Man ist das länger nicht

In Frankreich.

PRINZ VON ELLENBOGEN.

Alle Moden, leider! kommen

Uns hier zu spät.

HERZOGIN.

Wie geht es, armes Julchen?[199]

JULCHEN.

Jetzt wieder gut; doch seh' ich immer vor mir

Den Fresser auf dem Riesenstuhl, und das

Entsetzliche Gerippe – huh! die Todten,

Die schrieen!


Zu St.-Preux.


Ich hielt mich fest an Ihrem Arm,

Sonst wär' ich umgefalln.

ST.-PREUX.

Ich war im Himmel

Dabei.

JULCHEN.

Sie sind ja überall im Himmel!

ST.-PREUX leise.

Holdselige!

HERZOGIN.

Was sagen Sie, Herr Bruno?

BRUNO.

Ich denk' in Hofgesellschaft ungern laut.

HERZOGIN.

Dadurch verliert die Hofgesellschaft sehr.

BRUNO.

Ich bin nur hier, zu sehen und zu hören.

HERZOGIN.

Dann wünscht' ich, 's Stück wär' aus –

PRINZ VON KOTBUS.

Ich auch,

Wär's nicht der hiesigen Gesellschaft wegen.

DOCTOR STIRN.

Zwei Acte sind noch übrig?

COLLHAUSINSPECTOR.

Viere noch,

Wenn nicht gar fünf. Das Stück hat sieben Acte.

Doch sagte mir Hans Wurst; man könnt' es theilen

In zwei Portionen, wenn –

HERZOG.

Das freut mich sehr; –

Denn mir gefällt es immer mehr und mehr.[200]

GENERALFELDMARSCHALL.

Mir auch!

HOFMARSCHALL.

Mir auch!

KAMMERHERR.

Mir auch!

JEDE HOFDAME.

Mir auch!

PRINZ V. KOTBUS.

Mir auch!

PRINZ V. ELLENBOGEN.

Trotz allen Fehlern gegen den Geschmack,

Natur ist drin; das kann man gar nicht leugnen.

HERZOG.

Hans Wurst ist ganz mein Mann, obgleich ich nicht

Verstehe völlig alles, was er spricht.

GENERALFELDMARSCHALL schnell.

Das kömmt daher, Eur Durchlaucht, weil er toll,

Der allertollste, wenn ich sagen soll –

OPITZ.

Noch nicht –

GENERALFELDMARSCHALL.

Schon lange! wenn auch äußerlich nur dumm,

Im Innern, straf mich Gott! ganz toll, zum Rasen!

HERZOG.

Er kennt ihn also, Generalfeldmarschall?

GENERALFELDMARSCHALL betroffen.

Nicht anders als durch Hörensagen, und

Durch seine Possen hier.

HERZOG.

Wie weiß

Er denn, daß er im Innern toller

Als äußerlich?

GENERALFELDMARSCHALL.

Er spielt den Narrn im Stück

Umsonst nicht; haben sie doch wohl den Tollsten

Dazu gewählt![201]

HERZOG.

Das sag' Er nicht; er spielt

Den Directeur auch.

GENERALFELDMARSCHALL.

Das ist alles Eins,

Eur Hoheit, dazu wählt man oft den Tollsten,

Wo nur von tollem Zeug, wie hier, die Red' ist.

HERZOG.

Wir werden sehn! Ich werd' ihn kommen lassen,

Wenn's Stück aus ist. –

GENERALFELDMARSCHALL.

Das thun ja Eure Hoheit

Um alles in der Welt nicht!

HERZOG.

Und warum?

GENERALFELDMARSCHALL.

Weil, straf' mich Gott, Gefahr! Ich möchte lieber

Der ganzen, großen feindlichen Armee,

Die doch vernünftig ist, allein, ganz nah',

Im Feuer gegenüberstehn, als hier

Dicht neben einem Tollen –

HERZOG.

Die Gefahr

Nehm' ich auf mich.

GENERALFELDMARSCHALL.

Dann schickt's sich auch ja gar nicht,

Für Eure hochfürstliche Hoheit, Sich

In eigener Person mit einem Narren

Zu unterhalten!


Zur Herzogin.


Nicht wahr, Eure Hoheit?

HERZOGIN.

Es muß doch wohl; wir hätten sonst am Hofe

Zu wenig Unterhaltung.

GENERALFELDMARSCHALL heftig.

Sagt er aber,

Er sey nicht toll, so lügt er, straf mich Gott!

HERZOG zu Doctor Stirn.

Was sagt Er wohl dazu, Herr Doctor? Ist

Hans Wurst verrückt nach seiner Meinung?[202]

DOCTOR STIRN.

Pah!

Ich hab' ihm heute noch den Kopf befühlt:

Kein' Ahnung!

GENERALFELDMARSCHALL.

Glaub' es wohl; er hat 'nen andern

Für's Schauspiel aufgesetzt!

HERZOGIN.

Was hat der arme

Hans Wurst dem Generalfeldmarschall doch

Gethan?

HERZOG.

Nachher – wenn's Stück zu Ende!

Jetzt wollen wir soupiren. – Können wir

Halt machen hier, Herr Oberhofinspector?

COLLHAUSINSPECTOR indem alle aufstehen.

Wenn Eure Hoheit so befehlen, gleich!

HERZOG lachend, indem er aufsteht, und mit der Herzogin, gefolgt von allen Uebrigen, hinausgeht.

Die Hölle hat mir Appetit gegeben.


Der große Vorhang fällt.
[203]

Quelle:
Baggesen, Jens: Der vollendete Faust oder Romanien in Jauer. Jens Baggesen's Poetische Werke in deutscher Sprache, Bd. 3, Leipzig 1836 [Nachdruck: Bern, Frankfurt am Main, New York 1985], S. 197-204.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der vollendete Faust oder Romanien in Jauer
Der vollendete Faust oder Romanien in Jauer

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Die Serapionsbrüder

Die Serapionsbrüder

Als Hoffmanns Verleger Reimer ihn 1818 zu einem dritten Erzählzyklus - nach den Fantasie- und den Nachtstücken - animiert, entscheidet sich der Autor, die Sammlung in eine Rahmenhandlung zu kleiden, die seiner Lebenswelt entlehnt ist. In den Jahren von 1814 bis 1818 traf sich E.T.A. Hoffmann regelmäßig mit literarischen Freunden, zu denen u.a. Fouqué und Chamisso gehörten, zu sogenannten Seraphinen-Abenden. Daraus entwickelt er die Serapionsbrüder, die sich gegenseitig als vermeintliche Autoren ihre Erzählungen vortragen und dabei dem serapiontischen Prinzip folgen, jede Form von Nachahmungspoetik und jeden sogenannten Realismus zu unterlassen, sondern allein das im Inneren des Künstlers geschaute Bild durch die Kunst der Poesie der Außenwelt zu zeigen. Der Zyklus enthält unter anderen diese Erzählungen: Rat Krespel, Die Fermate, Der Dichter und der Komponist, Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde, Der Artushof, Die Bergwerke zu Falun, Nußknacker und Mausekönig, Der Kampf der Sänger, Die Automate, Doge und Dogaresse, Meister Martin der Küfner und seine Gesellen, Das fremde Kind, Der unheimliche Gast, Das Fräulein von Scuderi, Spieler-Glück, Der Baron von B., Signor Formica

746 Seiten, 24.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon