3.

[145] Schon seit langer Zeit waren die Soldaten, die Nachts den Wachtposten bei dem Schlosse zu ** zu versehen hatten, durch eine seltsame Erscheinung in Furcht und Schrecken gesetzt worden. Es kam nämlich zur mitternächtlichen Stunde regelmäßig eine große Sau auf den wachthabenden Mann losgerannt und geberdete sich, als wolle sie ihn zerreißen. Zuletzt wollte Niemand trotz der Strafen, die der harte und grausame Oberst jedesmal über den Flüchtling verhängte, den Dienst mehr thun. Nun war Einer unter den Leuten im Besitze eines Stückes Erbsilbers, damit ging er zu einem Goldschmied und ließ sich aus dem Silberstück eine Flintenkugel gießen. Am andern Abend erklärte er sich bereit, den Posten zu übernehmen. Um Mitternacht kam die Sau wüthend auf ihn angestürmt. Er aber legte sein Gewehr an und traf das Ungethüm so glücklich, daß die Gedärme sofort aus dem Leibe hervortraten. Wie im Sturmwind eilte das Thier davon. Am andern Morgen fand man den Oberst mit ausgetretenen Eingeweiden im Bette liegend.


Lehrer F. Haase in Rostock.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 145.
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