225. Huckeweib auf Poel.

[181] In Malchow auf der Infel Poel wohnte vor mehreren hundert Jahren eine reiche, aber hartherzige und geizige Bauersfrau. Sie nahm das Kind ihrer verstorbenen Schwester zu sich, um das Vermögen derselben auch zu bekommen, und als das Kind unter ihren Mißhandlungen gestorben, vergrub sie das Geld im Keller und schwur vor Gericht, das Mädchen habe kein Gut hinterlassen, und wenn sie unwahr geredet, wolle sie keine Ruhe im Grabe haben. Nach ihrem Tode spukte sie in ihrem Haus, namentlich in dem Keller. Einst kam ein frommer Mann in das Haus und hörte von dem Spuk. Er ging des Nachts in den Keller und verkündete dem Geiste, er werde zur Ruhe gelangen, wenn er zur Kirche komme, aber alle Jahre werde er nur einen Hahnenschritt vorwärts kommen; finde sich ein frommer Mensch, der ihn weiter trage, so solle das dem Geiste angerechnet werden. Von da an erschien der Geist auf dem Wege nach Kirchdorf und bat ›Nimm mi Hukepack, un dręg mi an de Kark.‹

Nach vielen Jahren ging eines Nachts ein frommer Tagelöhner des Weges, der wollte zum Seelsorger, denn seine todtkranke Mutter begehrte des heiligen Abendmahles. Als er nun nach der Stelle kommt, wo die Wege von Malchow, Kirchdorf und Niendorf sich kreuzen, da sah er an der Grabenborte ein Weib sitzen, die schrie ›Lat mi Hukepack sitten!‹ ›In Gottes Namen!‹ sprach der Tagelöhner, nahm sie auf seinen Rücken und trug sie bis zum ›Horstdurn‹, einem Hohlweg, der mit Kreuzdorn zu beiden Seiten bewachsen ist, dicht vor Kirchdorf. Da hat sie denn lange gesessen, und des Nachts, so Jemand[181] vorüberging, immer gebeten ›Lat mi Hukepack sitten.‹ Allein es hat sich nie wieder eine mitleidige Seele dazu finden wollen.


C. Struck bei Niederh. 3, 218ff.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 181-182.
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