234. Spuk in Lüssow.

[187] Auf dem Hofe zu Lüssow bei Güstrow läßt sich zu Zeiten ein Geräusch hören, als wenn ein Wagen den Steindamm, der in der Mitte des Hofes ist, hergefahren komme und dann vor dem Hause stille halte. Ich erinnere mich dessen aus meinen Kinderjahren, so daß die Hausbewohner aus der Wohn-, Schreiber- und Leutestube herbei eilten, den vermeintlichen Besuch zu empfangen. Es wird erzählt: Im vorigen Jahrhundert wohnte zu Lüssow eine alte gnädige Frau, die sehr geizig war. Eines Tages kamen Handwerksburschen und baten um eine kleine Gabe. Sie wollte sie trösten, und als sie dringender baten, ließ sie die Leute mit Hunden vom Hofe hetzen. Schon im Kruge sagten die Handwerksburschen, sie wollten es der Alten gedenken, und Nachts zündeten sie das Haus an, das damals noch mit Stroh gedeckt war. Die alte gnädige Frau erwachte und wollte ihr Mädchen zwingen, aus einer Stube, die schon voll Rauch war, die Juwelen und ihr Geld zu retten. Das Mädchen aber weigerte sich, und riß sich vielmehr von der Alten los und sprang aus dem Fenster, vor dem sie schon ihr Bräutigam erwartete. Als sie aber sich losmachte und aus dem Fenster sprang, sah sie, wie die[187] Alte gegen die Nebenstube stürzte und rief ›Wo meine Schätze bleiben, da will ich auch bleiben.‹ Nun aber hat ihr Geist keine Ruhe und läßt sich noch immer hören.


Pastor Dolberg.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 187-188.
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