286. Todtentanz.

[222] Nahe bei der Kirche in Gadebusch wohnte ein Schneider, der sehr unordentlich lebte und oft des Nachts sehr spät erst aus den Wirthshäusern nach Hause kam. Dieser bemerkte einst in der Neujahrsnacht, als er gerade um Mitternacht von einem Gelage heimkehrte, um seine Wohnung aufzusuchen, in der Kirche einen hellen Lichtschein. Neugierig tritt er an die Kirchenthür, öffnet sie, und sieht rings um den Altar alle Todten in langen weißen Kleidern einen Ringeltanz aufführen. Sie fassen einander bei den Händen und singen ununterbrochen, einander zunickend:


Wo lang is di dei Kirrejan,

wo lang is di dei Kirrejan.


Dem Schneider erscheint dies lächerlich und überdumm; er wendet sich gegen die Tänzer und ruft ›Ik wull, dat juch dor in schęten wir!‹ Sogleich fahren die Todten auf ihn los, er, um sich zu retten,[222] springt aus der Kirche und wirft die Thür hinter sich mit voller Gewalt ins Schloß, aber der Rockzipfel bleibt in der Kirche. Der Schneider reißt sich mit Verlust desselben von der Thür los; der Zipfel aber wurde am andern Tage in tausend Fetzen durch die ganze Kirche zerstreut gefunden.


H.H. Schmidt, z.B. in Rostock.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 222-223.
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