337. Drache in Prislich.

[260] Wie überall im Lande, so hat sich früher auch in Prislich bei Grabow häufig der Drache sehen lassen und noch in neuester Zeit wollen ihn Leute in dem nahen Dorfe Neese spät Abends gesehen haben, wie er, einem gewaltigen, feurigen Węsbaume gleich, durch die Lüfte dahingezogen ist. Früher wohnte ein alter, reicher Bauer in Prislich, der hatte mit dem Teufel ein Bündniß gemacht und ihm seine Seele verschrieben. Natürlich hatte er aber dies nicht umsonst gethan; Gott bewahre, der Böse mußte ihm dafür, so oft er wollte, seinen Diener, den Drachen schicken und ihm durch diesen allerlei schöne Sachen, Korn und Stroh, Mehl und Butter, kurz alles Mögliche zutragen lassen, was der alte Bauer nur immer[260] brauchte und haben wollte; und eben davon war er denn auch so unverschämt reich und wohlhabend geworden. Der Schäfer des Dorfes, der ein geriebener Kopf war und mit dergleichen Dingen umzugehen verstand, paßte des Nachts zuweilen dem Drachen auf und zwang ihn vermittelst seiner Zauberkünste, ehe er das Gehöft des gottlosen Bauern erreicht, auf freiem Felde, hoch in der Luft abzuladen und somit das für den alten Sünder Bestimmte in alle Winde zu zerstreuen. Der Drache mitsammt seinem Herrn und Meister, dem Teufel, wüthend über diese Unbill des Schäfers, beschlossen, sich hiefür schrecklich zu rächen und alles Vieh im Dorfe mit Läusen zu besetzen und es also zu verderben. Zu diesem Zweck zog denn der Drache mit einer vollen Ladung solchen Ungeziefers in einer Nacht gen Prislich. Da er sich seit einiger Zeit nicht mehr gezeigt hatte, so glaubte der Schäfer, er habe ihn auf immer von seinem Dorfe vertrieben und war deshalb ruhig zu Bette gegangen. Ein anderer Prislicher, ein Büdner, war aber zufällig in dieser Nacht gerade draußen, als der Drache herangebraust kam. Schnell that dieser nun, wie ers von dem Schäfer gehört, und ließ den Drachen abladen. Aber er hatte hierbei versäumt, unter Dach zu treten, und so bekam er denn die ganze Ladung Läuse über sich ausgeschüttet. Wenige Tage hiernach hatte, zur Freude des ganzen Dorfes, des alten Bauern letztes Stündlein geschlagen. Als er wimmernd auf dem Sterbebette lag, kam der Teufel selbst in der Nacht, drehte ihm das Genick um und ging mit seiner Seele davon.


Niederh. 4, 67 ff.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 260-261.
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