360. Verzauberte Prinzessin.

[273] Auf der Feldmark eines Gutes in der Nähe von Güstrow liegt in einem kleinen Gehölz ein Berg, in dem eine Prinzessin verzaubert[273] ist. Einst weidete ein Schäfer an dem Berge; da sah er Mittags eine weißgekleidete Dame aus dem Berge herauskommen. Er beschloß, wenn er sie am folgenden Tage wiedersehe, sie anzureden. Sie kommt auch wirklich am nächsten Tage wieder und er fragt sie, warum sie dort wandle. Sie offenbart ihm, sie sei eine verzauberte Prinzessin, die aber durch ihn erlöst werden könne, denn er sei in einer Wiege gewiegt, die aus einem Baume, der bei ihrer Verzauberung aus der Erde gewachsen, gezimmert sei. Er solle sie am andern Tage küssen, sie werde aber in Gestalt einer Kröte kommen. Der Schäfer verspricht es; am andern Mittag kommt eine große Kröte herangekrochen. Trotz eines unheimlichen Gefühls legt er sich auf die Kniee, um sie zu küssen; aber in dem Augenblicke, wo sie sich auf die Hinterbeine setzt und das Maul aufreißt, fährt er schaudernd zurück. Da ist die Kröte verschwunden, aus dem Innern des Berges aber hört er ein klägliches Winseln.


Von einem Seminaristen in Neukloster.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 273-274.
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