403. Der Schloßberg bei Boitzenburg.

[301] Auf dem Schloßberge bei Boitzenburg stand vor alter Zeit eine Ritterburg. Einst hauste dort ein böser Ritter mit seinem Weibe, das ihm einen Knaben gebar, der jedoch nach wenigen Tagen starb. Lange lebten sie kinderlos, da kam eines Tages ein Mönch auf die Burg, der der Frau den Rath gab, mit dem Ritter nach Rom zu pilgern. Sie erzählte ihrem Manne, ihr sei ein Heiliger im Traum erschienen und habe ihr die Pilgerreise befohlen, dann würde ihnen wieder ein Kind bescheert werden. Der Ritter zog mit ihr und gelobte, eine goldene Wiege für das Kind anfertigen zu lassen. Nach Jahresfrist nach ihrer Rückkehr wurde ihnen ein Knäblein geboren; das ward wie ein Prinz erzogen und ruhte in einer goldenen Wiege.

Einstmals verfolgte der Ritter auf der Jagd einen Hasen; wie er ihn aber eben zu erlegen meinte, kam ihm ein anderer Jäger zuvor. Wüthend stieß der Ritter den Fremden nieder und durchbohrte ihn mit seinem Jagdspieß. Da stellte sich heraus, daß er den Sohn eines benachbarten Ritters getödtet hatte. Dieser schwur Rache, klagte beim Kaiser, der Mörder wurde in die Reichsacht erklärt und seine Burg belagert. Als er keine Rettung mehr sah, versenkte er alle seine Schätze sammt der goldenen Wiege in den Schloßbrunnen, ließ sein Weib und sein Kind auf einem unterirdischen Wege entfliehen und, als endlich die Belagerer die Burg stürmten, zündete er dieselbe an und begrub sich unter ihren Trümmern. Die goldene Wiege und die andern Schätze sollen noch jetzt im Schloßberge begraben sein.


Niederh. 1, 198 ff.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 301-302.
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