5. Wie die Teterower ihre Kirche weiter gerückt haben.

[349] Früher stand die Kirche zu Teterow mitten auf dem Markte, gerade vor der Straße, die vom Rostocker zum Malchiner Thor führt. Warum man sie gerade dorthin gebaut, weiß man nicht; aber sie stand nun einmal da, und stand den Teterowern im Wege, deshalb beschloß man, sie nach einer andern Stelle zu schaffen. Aber[349] wie dies anfangen? es wurde viel hin und her gerathen, der Eine rieth dies, der Andere das; so meinte z.B. Jemand, man solle sie abbrechen und nebenan wieder aufbauen, aber das schien doch den Meisten zu kostspielig und zu närrisch. Endlich trat Einer auf und schlug vor, die Kirche auf Walzen zu stellen und dann weiter zu rollen. Dieser Vorschlag fand allgemeinen Anklang und wurde deshalb zum Beschluß erhoben. Am nächsten Tage schon ging es frisch ans Werk. Man schlug an jedem Ende der Kirche zwei Löcher durch das Fundament, steckte Walzen hindurch und hackte dann die ganze Ringmauer rundum los. Als dies Alles glücklich vollbracht war, wurde ein Tag zur feierlichen Fortrückung anberaumt. Der Küster, ein alter invalider Kriegsmann, sollte den umgelegten Strick vorne ziehen und der ganze Magistrat wollte selbst Hand anlegen und nachschieben. Allen sonstigen Einwohnern der Stadt, Groß und Klein aber wurde es bei Todesstrafe verboten, hierbei zu erscheinen, damit nicht beim etwaigen Umwurf der Kirche Jemand zu Schaden kommen könne. So war denn Alles in Ordnung und es hieß nun ›Angefaßt!‹ Da aber schrie der Küster ›Halt!‹ und rief, er wisse nicht, wie weit die Kirche solle. Daran hatten sie wirklich noch nicht gedacht. Der Bürgermeister aber zog schnell seinen Rock aus, warf ihn vor der Kirche auf die Erde und sprach ›So, just bis hier über den Kragen weg.‹ Der Küster aber gedachte des schönen Bürgermeisterrockes und seines schäbigen, und wie es doch jammerschade sei, ersteren unter der Kirche verkommen zu lassen; darum trug er, während der Bürgermeister zurück an seinen Ort ging, eilig das Röcklein heim, war mit einem Satze wieder da und rief ›Nun zu!‹ Ein Ruck und noch einer, da schrie der Küster ›Halt! wir sind schon darüber weg!‹ Er meinte, über den Rinnstein, der Bürgermeister aber dachte über den Kragen und über seinen schönen Rock. Der Küster half ihm auch nicht aus seinem Irrthum und sprach überhaupt nicht davon, daher denn zu Teterow die Rede aufkam ›Uns' Kirch steit uppen Burmeister sin'n Rock.‹

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 349-350.
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