498. Die Todtenmesse zu Wesenberg.

[364] Vor alten Zeiten ist Wesenberg katholisch gewesen, da ist Sonntags und Mittwochs immer eine Frühmesse gehalten worden. Zu der Zeit hat auch eine Frau gelebt, die wachte eines Morgens im Winter, als es noch finster war, auf, und da war ihr, als höre sie läuten, glaubte drum, sie habe die Zeit verschlafen, zog sich eilig an und ging zur Kirche. Als sie dahin kommt, stehen auch die Thüren weit offen, die Kerzen sind angezündet und die ganze Kirche ist gedrängt voll von Leuten. Vor dem Altar aber stehen zwei Prediger, die theilen das Abendmahl aus, und wie die Frau näher tritt, ist ihr der eine ganz fremd, den andern aber kennt sie noch wohl, der war wohl schon länger als zwanzig Jahre todt. Darob wird ihr ganz unheimlich und still geht sie in ihren Stuhl, kniet nieder, verrichtet ihr Gebet und will eben wieder heim, da tritt eine Frau an sie heran, die sie auch noch gekannt hatte, die aber auch schon längst todt war und sagt zu ihr ›Wir Todten lassen euch den Tag, so laßt uns denn auch die Nacht; geh ruhig heim, aber sieh dich nicht um.‹ Da kam die Frau ein Grauen an, daß sie sich kaum aufrecht zu halten vermochte; aber sie kam doch glücklich hinaus und eilte nach Hause; als sie jedoch an ihrer Hausthür war, konnte sie nicht unterlassen, noch einmal umzuschauen, und da war am andern Tag das Stück ihres Mantels, welches in dem Augenblick noch außerhalb gewesen war, wie weggebrannt.


Kuhn NS. S. 5 f.; vgl. Müllenhoff S. 170.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 364.
Lizenz:
Kategorien: