54. Riesenfußspur auf dem Steindamme.

[37] Unter dem ›Steindamm‹ versteht man in Röbel und Umgegend allgemein eine Strecke der von dieser Stadt nach dem Flecken Mirow führenden Landstraße. Da, wo dieselbe nämlich zwischen Röbel und der Melzer Mühle eine kurze Moorfläche durchschneidet, ist der Weg wegen des weichen Unterbodens mit einem Steinpflaster versehen, weil er hier sonst nicht in der nassen Jahreszeit von Vieh und Wagen zu passiren sein würde. Unter den ehemaligen großen Mittelsteinen dieses Dammes befindet sich einer, auf welchem die Spur eines riesigen, nackten Fußes ausgeprägt ist. Einer alten Sage nach rührt diese Fußspur auch wirklich von einem Riesen her. Als es nämlich in alten Zeiten noch Riesen gab, soll ein solcher eines schönen Tages auf seinen Reisen auch hieher gekommen sein. Als er nun diese Gegend quer durchwanderte und vor dieser in einer Richtung zwar nur schmalen, in der anderen desto breiteren Moorfläche angelangt war, machte er einen Augenblick Halt und sah sich nach einem festen Punkte in derselben um; denn sie mit einemmale in ihrer ganzen Breite zu überschreiten, war ihm doch etwas zu weit und zu gewagt, er hätte ja leicht stecken bleiben und versinken können. Da gewahrte er denn den Steindamm. Er setzte also an, berührte mit dem einen Beine die Mitte des Dammes und schwang sich glücklich hinüber in zwei Schritten über die ganze Breite der moorigen Gegend. Aber die Erschütterung und das Gewicht seines Körpers waren so groß gewesen, daß sich sein nackter Fuß tief in den betretenen Stein eingedrückt hatte. Und so ist denn nun diese schon vielfach bewunderte und angestaunte Riesenfußspur entstanden. Noch heute kann man den Stein mit der Fußspur auf dem Steindamme zwischen Röbel und der Melzer Mühle sehen; er liegt aber nicht mehr auf seiner alten Stelle in der Mitte des Dammes, sondern jetzt, seitdem derselbe umgelegt worden ist, etwas zur Seite des Weges.


Niederh. 1, 232 f.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 37.
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