18.

[13] In der Penzliner Gegend hält man für den Veranlasser der wilden Jagd einen Jäger, der wegen seines ruchlosen Wandels auf Erden nicht zur Ruhe kommen kann, sondern ohne Rast in der Luft als Spuk sein Unwesen treiben muß, sich zur Strafe, Menschen und Thieren zum Schrecken und den Gottlosen zur warnenden Mahnung an die göttlichen Strafgerichte. Auch will man hier nicht bloß in den Zwölften, sondern auch zu jeder anderen Zeit das Toben der wilden Jagd vernommen haben. Es sind aber besonders nur einige Oerter, an denen sie vorüberfährt; und diese soll man nicht zur Nachtzeit passiren, und noch weniger sich dann dort aufhalten, wenn man sich nicht Unfällen mancherlei Art aussetzen will. Solche Stellen sind in der Penzliner Gegend besonders die Iserpurt im Hohenzierizer Gehölze und die Schwanenheide, ein Theil der Penzliner Feldmark, unweit[13] des Klein-Vielener und des Wodensees. Die Schwanenheide, welche jetzt beackert wird, lag früher noch in Rusch und Busch und wurde, soweit sie nicht mit Holz bewachsen war, fast nur zur Weide für die Pferde der Penzliner Ackersleute benutzt. So hüteten auch einst vor vielen Jahren die beiden längst verstorbenen Penzliner M... und T... dort in unmittelbarer Nähe des Vielener Sees des Nachts ihre Pferde. Es war im Sommer und die Nacht nicht dunkel. Als sie eine Weile gehütet hatten, wurde T. schläfrig und legte sich unter einen Baum, um ein wenig zu ruhen; M. aber machte sich eine Pfeife an, um sich munter zu halten und auf die Pferde zu achten. T. hatte noch nicht lange sein Lager aufgesucht, als M. aus weiter Ferne her ein eigenthümliches Toben hörte, das schnell näher kam und immer lauter und toller wurde. Da fiel ihm ein, was er öfter von der wilden Jagd gehört hatte, und voller Angst und Furcht suchte er Schutz unter einem großen Dornbusche, von wo aus er aber doch recht gut sehen konnte, was um ihn her vorging. Eben war er erst in Sicherheit, als auch schon die wilde Jagd dahergesaust kam, vorauf ein Jäger zu Pferde und hintendrein eine ganze Meute schwarzer Hunde.

M. zitterte am ganzen Leibe. Doch schien man ihn nicht gewahr zu werden, vielmehr hielt der Zug bei seinem Kameraden T. still. Dort sprang der wilde Jäger vom Pferde, nahm sein Waldhorn, hielt es dem Schlafenden vor sein Ohr und stieß hinein, daß es nur so schallte und dem nicht weit davon entfernten M., der alles das mit ansah, die Ohren gellten. T. aber rührte sich nicht. Als der wilde Jäger also seinen Muthwillen ausgelassen hatte, bestieg er wieder sein Pferd, und weiter ging's mit Blasen und Hundegeklaff durch die Luft.

Ein andermal, es war im Herbste um die Zeit, wenn die Kartoffeln aufgenommen werden, kamen bei anbrechender Nacht zwei Penzliner Bürger, die aber beide jetzt schon längst todt sind, von Strelitz gefahren. Wie sie auf der Schwanenheide, durch welche der Weg nach Strelitz führt, ankommen, lassen sie ihre Pferde ein wenig sich ruhen und grasen. Es war aber zu der Zeit gerade Holz auf der Schwanenheide, unweit des Wodensees, geschlagen und unter Anderem lagen dort auch viele Achshölzer, d.h. Holz zu Wagenachsen.[14]

›Wat meenst du, Vaddermann,‹ hub der eine der Penzliner an, ›wenn wi uns so'n Por Asshölter uplöden und mitnem'n?‹ ›Je,‹ wandte der Andere ein, ›lücht wi s' uk?‹ ›Ih,‹ meinte der Erstere wieder, ›wenn du sei man hinn'n wiss hölst; ik will s' wol vörn inne Högt krig'n.‹ So gingen sie denn beide an's Werk. Als sie aber noch bei dem ersten Stücke beschäftigt waren, hörten sie ein vom Hohenzierizer Gehölz kommendes, sich schnell aus der Ferne näherndes Blasen und Hundeklaffen. Im Nu war auch schon die wilde Jagd bei ihnen, vorauf ein Jäger auf einem Schimmel, der gar schauerlich in sein Waldhorn stieß und hinter ihm eine große Meute wilder Hunde, die mit ihrem Geklaff das Blasen ihres Herrn übertönen zu wollen schienen. Dies hören und sehen, das Holz bei Seite werfen und Fersengeld nach Möglichkeit geben, war bei unseren Penzlinern Eins. Sie dachten weder an Pferde noch an Wagen, sondern rannten, ohne sich auch nur einmal umzusehen, spornstreichs davon und hielten erst bei dem eine halbe Stunde entfernten Penzlin Stand. Das Toben der wilden Jagd verlor sich aber, wie ihnen däuchte, ebenso schnell, als es gekommen war, über den Vielener See ziehend, bald in weiter Ferne. Erst am anderen Morgen wagten sich die Beiden nach der Schwanenheide zurück, um Wagen und Pferde heim zu holen. Sie waren auch so glücklich, beides unbeschädigt wiederzufinden, haben sich aber später nicht noch einmal unter gleichen Umständen nach der Schwanenheide wagen mögen.

Bei der eisernen Pforte – Iserpurt – welche mit den beiden eben genannten Oertlichkeiten so ziemlich in einer Flucht liegt, soll auch die wilde Jagd öfters vorüberziehen. Einst geschah es, daß ein Penzliner spät in der Nacht des Weges kam. Er hatte von einer Schneidemühle bei Strelitz eine Fuhre Bretter geholt und sich dort ohne Ursache durch die Schuld seines Fuhrmannes ziemlich lange aufhalten müssen. So war es schon Nacht, als sie die Iserpurt passirten. Noch ehe sie aber durch den Hohlweg waren, kam die wilde Jagd durch den Thalgrund vor der eisernen Pforte wie ein Sturmwind daher. Dem Penzliner und seinem Fuhrmann standen vor Entsetzen die Haare zu Berge. Die Pferde bliesen wie vor großer Angst aus den Nüstern, rührten sich aber nicht vom Fleck, und der Hund des Fuhrmannes kroch ängstlich den Pferden zwischen die Füße, als wollte er dort[15] Schutz suchen vor der ungewöhnlichen, schreckhaften Erscheinung. Erst als Alles vorüber war und das Getöse sich allmälig in der Ferne verlor, waren die Pferde wieder zum Gehen zu bringen.


A.C.F. Krohn in Penzlin bei Niederh. 2, 241 ff.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 13-16.
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