675.

[149] Nothfeuer. In Meklenburg erschien unter dem Herzoge Gustav Adolph von Güstrow unterm 13. September 1682 eine eigene Verordnung wider die abergläubischen Viehcuren, namentlich das Nothfeuer, welches im fränkischen Reiche schon auf einer allgemeinen Kirchenversammlung im Jahre 742 verboten ward. Dessenungeachtet bezeugt Dav. Franck (a.a.O. I, S. 231), das dasselbe zu seiner Zeit noch in vollem Gebrauche sei, ja ein in der Neuen Monatsschrift von und für Meklenburg, Jahrg. 1792, Nr. 7, mitgetheiltes Beispiel beweist, daß diese merkwürdige Sitte noch am Ende des vorigen Jahrhunderts so allgemein verbreitet war, daß sich selbst größere Stadtgemeinden derselben nicht schämten. Zu Anfang des Julimonats eben dieses Jahres ward nämlich nach diesem Berichte ›die Sternberger Rindviehheerde von der sogenannten Feuerkrankheit befallen; verschiedene Häupter starben sehr schnell daran, und man beschloß, das übrige Vieh durch ein Nothfeuer zu treiben. Am 10. d.M. ließ der Magistrat daselbst öffentlich ausrufen, daß am folgenden Tage vor Sonnenaufgang ein Nothfeuer zum Besten der städtischen Rindviehzucht angemacht werden würde, und ermahnte zugleich jeden Einwohner, am Abende in den Küchen ja kein Feuer anzuzünden. Am 11. Morgens 2 Uhr war fast die ganze Bürgerschaft vor dem Luckower Thore versammelt und half mit vieler Mühe das schüchterne Vieh durch das[149] an drei verschiedenen Stellen brennende Nothfeuer jagen und glaubt noch ganz zuversichtlich, solches mit dieser Feuerprobe vom Tode errettet zu haben. Zur völligen Sicherheit hielt man es auch noch für rathsam, dem Rindvieh die rückständige Nothfeuerasche einzugeben‹. Die Art und Weise der Entzündung dieses Feuers wird in diesem Berichte als bekannt vorausgesetzt; aus den weiteren Verhandlungen über das Ereigniß, das natürlich Aufsehen erregte (Nr. 8 und 11 von 1792 und Nr. 6. von 1793 der gedachten Schrift) ergibt sich jedoch, daß dasselbe hier im Lande durch Reibung eines um einen eichenen Pfahl geschlungenen Strickes oder zweier Holzscheite gegen einander entzündet und durch siebenerlei Holz genährt ward. Ebenso beschreibt schon Franck 1, 231, die Art der Entzündung des Feuers, wobei er gleichfalls namentlich hervorhebt, daß der Pfahl, um welchen der Strick gewunden ward, vom Eichenholz genommen werden mußte. Die Asche des erloschenen Feuers ward nach Franck zu allerlei abergläubischen Dingen gemißbraucht; an andern Orten streuete man dieselbe z.B. über den Acker, um die Pflanzen gegen das Ungeziefer zu schützen. Interessant ist, daß man in neuester Zeit bei dem Erscheinen der Cholera zu der alten Sitte zurückkehren zu wollen schien, indem man an vielen Orten zur Reinigung der Luft öffentliche Feuer entzündete.


Beyer in den Jahrb. 20, 175 f. Vgl. auch FS. 535.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 2, Wien 1879/80, S. 149-150.
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