1608.

[332] Diebslichter. In früherer Zeit verfertigten die Diebe sich Lichter, die die Eigenschaft besaßen, die Bewohner eines Hauses so lange im Banne des Schlafes zu halten, als sie brannten. Wußten die Spitzbuben, wie viel Leute in dem Hause waren, das sie bestehlen wollten, so zündeten sie ebensoviel von ihren Lichtern an, und Niemand konnte erwachen, so lange diese Lichter brannten. Verfertigt aber wurden sie aus ungeborenen Kindern, die aus dem Mutterleibe geschnitten wurden; daher geschah es auch nicht selten, daß schwangere Frauen um große Preise an Banditen verkauft wurden.

Das trug sich auch einmal auf einer Mühle zu. Bei dem Müller diente eine Magd, welche schwanger war. Ihr Bräutigam kam eines Nachts, um sie zu besuchen, und sah vor der Thüre des Müllerhauses ein Fuhrwerk stehen, das mit einem Laken bedeckt war, unter welchem sich ein unterdrücktes Stöhnen hören ließ. Der Knecht eilte an das Fenster der Wohnstube und sah darinnen einige Kerle, welche mit dem Müller einen großen Haufen Thaler auf einem Tische zählten. Der Knecht schöpfte sogleich Verdacht und machte sich schnell[332] daran, den Wagen zu untersuchen; er zog seine eigene Braut unter dem Wagenlaken hervor, der man den Mund mit einem Tuche umwunden hatte. Der Knecht trug sie in Sicherheit und befreite sie von ihren Fesseln an Händen und Füßen. Die Räuber kamen bald darauf aus dem Hause und fuhren so eilig davon, als die Pferde laufen konnten, in der Meinung, eine gute Beute mit sich zu führen.

Einmal hat sich ein Spitzbube am Tage in das Haus eines Bauern geschlichen und obgleich ihn die Bewohner gesehen haben, so konnten sie den Kerl trotz alles Suchens doch nicht wiederfinden. Abends legen sich die Bewohner schlafen, nur das Dienstmädchen kann nicht einschlafen, sie ängstigt sich noch vor dem fremden Kerl und schaut sich noch einmal gehörig um. Zu ihrem Schrecken entdeckt sie ihn denn auch wirklich im Ofen, wo er sich versteckt hat. Das Mädchen stellt sich nun als schlafend und da im Hause Alles ruhig ist, kommt der Spitzbube aus dem Ofen heraus und zündet ebensoviel Lichter an, als Leute im Hause wohnen, doch eins der Lichter will nicht brennen. Er glaubt, das Mädchen schlafe noch nicht und hält ihr ein brennendes Licht an ihre Füße, doch in ihrer Angst hält sie die Qual aus und rührt sich nicht. Nun beruhigt, geht der Spitzbube, nachdem er sämmtliche Lichter auf den Tisch gestellt, zur Thüre hinaus, um seine Spießgesellen zu rufen. Da springt die Magd schnell hinzu und verriegelt die Thüre hinter ihm; der Versuch, die Hausgenossen zu wecken, ist aber vergeblich, sie versucht die Lichter zu löschen, doch auch das gelingt ihr nicht. Der Spitzbube kommt vor das Fenster und fordert seine Lichter, dann will er auch abziehen. Die Magd aber sagt, sie kann sie ihm nicht brennend hinausgeben, und ausputzen lassen sie sich nicht, wie sie es denn machen soll? Dann, sagt der Kerl, solle sie sie nur in süße Milch tauchen. Das hat sie nur wissen wollen, sie taucht sie in süße Milch und die Lichter sind gelöscht. Nun aber solle er sie doch nicht wieder haben, ruft sie dem Kerl zu, dieser muß sich denn auch eilig aus dem Staube machen, denn so wie die Lichter ausgelöscht sind, erwachen die Schlafenden und das ganze Haus ist alsbald auf den Beinen.


Wirthschafter L. Thilo in Neuheinde.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 2, Wien 1879/80, S. 332-333.
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