Geistiges Morgenrot.

[35] Wann an des Wüstlings Pfühl vereint mit bittrem Wehe

Der rosig-weiße Schein der Frühe neu erwacht,

So ists, als ob, geweckt durch rächerische Macht,

Ein Engel wundersam im satten Tier erstehe.


Geahnter Himmel Zelt in fernentrücktem Blau

Vertieft sich und verlockt wie eines Abgrunds Schatten

Den Menschen, der noch träumt in leidendem Ermatten.

So, göttlich Wesen, du, lichthelle, zarte Frau,


Schwebt auf der dumpfen Lust zerfallnen grauen Trümmern

Vor meinen Blicken, die sich weiten, immerdar

Dein hold Gedenken, rosig, mild und klar.


Der Sonne Feuer schwärzt der Kerzen nächtig Flimmern;

So, lichte Seele, ist, verklärt und strahlenreich,

Dein sieggewohntes Bild der ewgen Sonne gleich.

Quelle:
Baudelaire, Charles: Blumen des Bösen. Leipzig 1907, S. 35-36.
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Die Blumen des Bösen (Auswahl)
Die Blumen des Bösen
Les Fleurs du Mal /Die Blumen des Bösen: Franz. /Dt
Die Blumen des Bösen: Französisch/Deutsch
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