Vierzehnter Auftritt.

[63] Vorige. Bartholo. Marzelline. Basilio. Antonio. Landleute. Dienerschaft.


MARZELLINE bei Figaro's letzten Worten an Bartholo's Arm feierlich eintretend. Ich thue Einsprache gegen die Hochzeit, gnädiger Herr! Ich habe ältere Rechte an den Bräutigam.

GRAF für sich, erfreut. Jetzt kommt meine Rache.

FIGARO. Was für Rechte?


Gräfin zieht sich mit Susannen in den Hintergrund zurück.


GRAF. Worauf stützt Ihr euer Recht, Marzelline?

MARZELLINE. Auf ein schriftliches Eheversprechen.

FIGARO. Ein bloßer Schuldschein über Geld, das sie mir geliehen.

MARZELLINE. Unter der Bedingung, daß er mich heirathen sollte. Excellenz, als unser Guts- und Gerichtsherr, sind Sie Ihren Unterthanen Gerechtigkeit schuldig.

GRAF. Ich gewähre sie Jedermann, der sie vor Gericht fordert.

BASILIO vortretend. So darf auch ich meinerseits meine gerechten Ansprüche auf gegenwärtige Dame Marzelline geltend machen?

GRAF für sich. Ah, mein anonymer Briefträger; er kommt mir gerade recht. Laut. Wagt der Hans Narr auch von Rechten zu reden?

ANTONIO in die Hände klatschend. Getroffen, und das auf den ersten Streich: Basilio ein Narr.

GRAF. Marzelline, die Hochzeit wird aufgeschoben bis nach[63] der Prüfung eurer Ansprüche, welche öffentlich im großen Gerichtssaal vor sich gehen soll. Ehrlicher Basilio, treuer und zuverlässiger Bote, bestelle die Gerichtsleute.

BASILIO. Für ihren Rechtsfall?

GRAF. Schaffe mir auch den Bauern zur Stelle, der dir das Billet gegeben.

BASILIO. Wenn ich ihn kennte!

GRAF. Du weigerst deinen Dienst?

BASILIO. Ich bin nicht Botenläufer im Schlosse.

GRAF. Was denn?

BASILIO. Als talentvoller Musiker und Orgelspieler im Dorfe, gebe ich der gnädigen Gräfin Klavierstunde, den Kammerfrauen Gesangsunterricht, den Pagen Guitarrelektionen; mein Hauptgeschäft ist, durch Lautenschlagen die Gesellschaft unterhalten, wenn der Herr Graf befiehlt.

BAUERNKNABE aus der Schaar der Landleute hervortretend. Ich will schon gehn, wann's gnä' Herrn recht is.

GRAF. Wie heißt du, was bist du?

BAUERNKNABE. Ich bin ja der Hanns, gnä' Herr, der kleine Hanns, wo die Gaisen hüten thut. Heut' Nacht aber thu' ich mit beim Feu'rwerk. Heut' haben die Gaisen Feierabend. Und ich weiß, wo all' die Gerichtschreiber im Ort wohnen thun.

GRAF. Dein Eifer gefällt mir. Geh denn. Du, Basilio, begleitest ihn und spielst Guitarre, ihm die Zeit zu vertreiben. Er gehört auch zur Gesellschaft.

BAUERNKNABE. Ich – zur Gesellschaft! Hähähä.

BASILIO entrüstet. Ich soll den Hanns mit der Guitarre beleiten?!

GRAF. Das ist, wie du eben gesagt, dein Hauptgeschäft. Geh, oder ich jage dich fort. Der Graf geht ab.[64]


Quelle:
Beaumarchais [Pierre-Augustin Caron de]: Figaro's Hochzeit. Leipzig [o. J.], S. 63-65.
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Figaros Hochzeit oder Der tolle Tag
Die Figaro-Trilogie: Der Barbier von Sevilla oder Die nutzlose Vorsicht / Der tolle Tag oder Figaros Hochzeit / Ein zweiter Tartuffe oder Die Schuld der Mutter