Siebenter Auftritt.

[50] Gräfin. Cherubin. Graf.


GRAF von draußen. Sie haben sich eingeschlossen?

GRÄFIN. Es ist der Graf. Hilf Himmel! Sie springt erschreckt auf, so auch Cherubin. Der Page ohne Mantel, in diesem Aufzug, allein mit mir ... Der anonyme Brief ... Seine Eifersucht ...

GRAF pocht noch einmal. Nun? Wird man mir öffnen?

GRÄFIN. Ich bin.. ganz allein.

GRAF. Mit wem reden Sie denn, wenn Sie allein sind?

GRÄFIN. Mit ... mir. Nicht doch .... mit Ihnen!

CHERUBIN für sich. Ich bin ein Kind des Todes, wenn er mich noch einmal findet. Er eilt in das Kabinet rechts, dessen Schlüssel die Gräfin hastig abzieht und zu sich steckt.

GRÄFIN öffnet dem Grafen. Was hab' ich gethan!

GRAF eintretend, mit ernstem, aber nicht hartem Ton. Seit wann pflegen Sie sich einzuschließen, Gräfin?

GRÄFIN. Ich.. ich hatte Toilettengeheimnisse mit Susannen, – ja wohl mit Susannen; sie ist einen Augenblick in ihr Zimmer hinübergegangen.

GRAF. Und das hat Sie so aufgeregt? Ihre Stimme zittert ja!

GRÄFIN. Kein Wunder! Wir sprachen – von Ihnen. Sie ist, wie gesagt, eben erst hinübergegangen.

GRAF. Mich führt die Unruhe zurück. Als ich zu Pferde stieg, wurde mir ein Brief zugesteckt, auf dessen Inhalt ich zwar nicht den mindesten Werth lege, der aber doch – mich ärgert.

GRÄFIN. Was für ein Brief?

GRAF. Wir beide, Gräfin, Sie wie ich, sind augenscheinlich von böswilligen Leuten umgeben. Stellen Sie sich vor: man meldet mir, im Laufe des Tages, während meiner Abwesenheit, werde Jemand, den ich fort glaubte, Sie besuchen.

GRÄFIN. Dieser Jemand müßte keck genug sein, hier einzudringen; ich habe mir vorgenommen, mein Zimmer heute nicht zu verlassen.[50]

GRAF. Auch nicht bei Susannens Hochzeit?

GRÄFIN. Auch da nicht; ich fühle mich ernstlich unwohl.

GRAF. So trifft sich's gut, daß Doktor Bartholo zugegen ist. Ein Stuhl fällt in der Garderobe. Welcher Lärm?

GRÄFIN auf's Neue noch mehr verlegen. Ein Lärm?

GRAF. In Ihrer Garderobe fiel etwas.

GRÄFIN. Ich hörte nichts.

GRAF. Madam! Auf die Thür rechts deutend. Es ist Jemand in diesem Zimmer.

GRÄFIN. Wer soll drinnen sein?

GRAF. Das frag' ich Sie. Ich komme von draußen.

GRÄFIN. Vielleicht Susanne, die aufräumt.

GRAF. Die, – sagten Sie nicht so? – eben erst in ihr Zimmer hinübergegangen ist?

GRÄFIN. Dahin, dorthin; wie kann ich das wissen?

GRAF. Wenn es Susanne ist, woher Ihre Verlegenheit?

GRÄFIN. Mich dünkt, meine Kammerjungfer brächte eher Sie als mich in Verlegenheit.

GRAF in Zorn gerathend. Keine Ausflucht! Ich will Susannen sehen!

GRÄFIN. Mir scheint, Sie haben Susannen nur zu oft gesehen.


Quelle:
Beaumarchais [Pierre-Augustin Caron de]: Figaro's Hochzeit. Leipzig [o. J.], S. 50-51.
Lizenz:
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