Zwölfter Auftritt.

[122] Vorige. Dann kurz nach einander aus dem Pavillon links: Cherubin. Fanchette. Marzelline. Susanne. Zuletzt aus dem Pavillon rechts: Gräfin.


GRAF Cherubin, der sich sträubt, hervorziehend. Ihr Sträuben ist umsonst, Madame! Sie sind entdeckt, sind verloren!

FIGARO als Cherubin in den beleuchteten Vordergrund tritt. Guten Abend, Herr Page!

ALLE. Der Page!

GRAF außer sich. Immer und überall der vermaledeite Page! Was machtest du in dem Pavillon?

CHERUBIN ängstlich. Ich versteckte mich. Der gnädige Herr hatte mir verboten, mich sehen zu lassen.

GRAF. Antonio, gehe du hinein, führe das treulose Weib vor ihren Richter, ihren Gatten, – vor mich!

ALLE außer Figaro. Die gnäd'ge Gräfin?

FRIEDENSRICHTER. Die gnädige Gräfin?!

ANTONIO. Mit Respekt zu sagen, nu' wissen Ex'lenzchen doch auch 'mal wie's thut, wenn ein Ehemann angeführt wird! Wie oft haben Sie nicht ...

GRAF einfallend. Schweig' und thue, was ich dir geheißen! Antonio ab in den Pavillon links. Es wird sogleich sich zeigen, daß der Page nicht allein im Pavillon gewesen.

CHERUBIN. Mein Schicksal wäre zu hart gewesen, hätte nicht ein zärtliches Herz es getheilt.

ANTONIO Fanchetten herausziehend. Das nutzt nun einmal nichts. Wer drin ist, muß heraus!

FIGARO. Bäschen Fanchette!

ALLE. Fanchette!

ANTONIO. Ex'lenz, was zu arg ist, ist zu arg! Den eig'nen Vater schicken Sie, um die Tochter an das Licht zu bringen?

GRAF. Wußte ich, daß sie drin steckte?

BARTHOLO zum Grafen. Erlauben Excellenz, daß ich die Sache aufkläre? Ich bin unbetheiligt, unparteiisch. Er geht, auf einen bejahenden Wink des Grafen, in den Pavillon links ab.[122]

FRIEDENSRICHTER. Ein äußerst verwi-wi-wickelter Ca-Ca-Casus.

BARTHOLO Marzellinen hervorziehend. Fürchten Sie nichts, Frau Gräfin! Ihr alter Vormund weiß, was er seinem Rosinchen schuldig ist Er erkennt Marzellinen. Meine Frau! Marzelline!

ALLE. Marzelline!

FIGARO. Mama hat auch mitgespielt!

ANTONIO. Alter schützt vor Thorheit nicht.

GRAF. Werd' ich endlich erfahren, wo die Gräfin ... Er unterbricht sich, als er Susannen aus dem Pavillon links treten sieht. Ha, da kommt sie! Treten Sie heran, Madame, Ihr Urtheil zu empfangen!

SUSANNE wirft sich ihm zu Füßen, das Gesicht versteckend.

GRAF. Keine Gnade!

FIGARO kniet ebenfalls vor ihm.

GRAF. Nein, nein, sag' ich. Marzelline, Bartholo, Cherubin, Fanchette knieen nach einander nieder und erheben bittend ihre Hände. Noch einmal, noch hundert Male nein, und wenn ihr zu Hunderten vor mir niederfielet!

GRÄFIN langsam aus dem Pavillon rechts kommend, in dessen Thür sie schon länger gelauscht hatte, und ebenfalls vor dem Grafen niederknieend. Auch für mich hätten Sie kein Ja?

GRAF die Gräfin und Susannen erstaunt betrachtend. Was seh' ich?

ANTONIO. Meine Nichte Susanne ist Gräfin geworden!

FANCHETTE. Und die gnädige Gräfin trägt den Brautschleier!

GRAF die Gräfin aufhebend. Sie waren es, Gräfin? Für sich. Welche Beschämung! Zur Gräfin. Gräfin, Frau, – Rosinchen, nur deine großmüthige Verzeihung kann mich retten!

GRÄFIN. Wenn ich nun auch nein, nein, und hundert Male nein sagte? Doch ich will Gnade für Recht ergehen lassen und Ja sagen. Zum dritten Male an diesem ereignißreichen Tage spreche ich es aus: Ich verzeihe! Sie steht auf.

SUSANNE aufstehend. Ich auch.

MARZELLINE aufstehend. Ich auch.

FIGARO aufstehend. Ich auch. Während sich Alle erheben. Excellenz hatten Recht: hier giebt es ein Echo.[123]

GRAF. Du hast Alles mit angehört! Halblaut. Ich wollte sie überlisten, und sie haben mit mir wie mit einem Knaben gespielt.

GRÄFIN. Lassen Sie sich das nicht leid sein, lieber Graf; Sie haben gelernt bei dem Spiele.

FIGARO mit seinem Hut die Kniee sich abstäubend. Solch ein toller Tag ist eine vortreffliche Schule für einen Diplomaten.

GRAF zu Susannen. Also dein Billet mit der Stecknadel?

SUSANNE mit einem Knix. War diktirt von der gnäd'gen Gräfin.

GRAF der Gräfin galant die Hand küssend. Ich werde die Antwort nicht schuldig bleiben.

GRÄFIN. So bekommt denn Jeder, was ihm gehört. Sie giebt an Figaro die Börse, an Susannen das Etui mit dem Ring.

SUSANNE fröhlich zu Figaro. Noch eine Mitgift!

FIGARO. Nummer drei. Aber diese war schwer verdient.

FANCHETTE. Nur ich habe nichts gekriegt, nicht einmal ein Band für meinen schönen Hochzeitsstrauß.

GRÄFIN das Band des Pagen hervorziehend und nach einigem Zögern Fanchetten es überreichend. Nimm dieses, mein Kind.

CHERUBIN das Band hastig wegreißend. Dies Band gehört mir. Versuche Niemand es mir zu entreißen.

GRAF lachend zum Pagen. Junger Held, wie hat die Ohrfeige geschmeckt?

CHERUBIN den Degen halb ziehend. Eine Ohrfeige – mir, mein Herr Obrist?

FIGARO. Ich habe sie für ihn erhalten; das ist die Gerechtigkeit der großen Herrn.

GRAF. Er empfing sie für ihn? Köstlich, meinen Sie nicht, liebe Gräfin?

GRÄFIN zerstreut, sich sammelnd. Gewiß, mein Gemahl; niemals im Leben wieder mit dem Feuer gespielt.

GRAF dem Friedensrichter auf die Schulter schlagend. Und Sie, gestrenger Richter, was sagen Sie dazu?

FRIEDENSRICHTER. Was ich sa...sa..sage? Ich sage, wie ich den..den..ke: gar nichts![124]

ALLE. Gut gesprochen.

FIGARO in die Mitte der Bühne tretend, zur Schlußwendung an das Publikum. Ich war arm, man verachtete mich. Ich war klug, man haßte mich. Nun erhalte ich eine schöne Frau, ein Vermögen ...

BARTHOLO fällt lachend ein. Und Freunde werden dir in Menge kommen.

FIGARO die Zuschauer grüßend. Meine Frau und mein Vermögen ausgenommen, werden mir alle willkommen sein.


Gruppe zum Schlußgesang.


Strophe 1:

BASILIO.

Ein hübsches Weib, ein hübsch Vermögen

Ist schier zu viel für Einen Mann;

Vergebens ficht auf seinen Wegen

Der Neid, die Eifersucht ihn an.

Er mag das Sprichwort überlegen, –

Wie heißt es doch, wer drückt es aus?

FIGARO einfallend, gesprochen. Ich weiß. Singend.

Wer's Glück hat, führt die Braut nach Haus.

BASILIO gesprochen. Nicht doch. Singt:

Wer's Glück hat, geht allein nach Haus.


Strophe 2:

SUSANNE.

Ein Eheherr verletzt die Treue,

Er rühmt sich deß, und Jeder lacht;

Thut's eine Frau, trotz ihrer Reue

Wird's ihr von aller Welt verdacht.

Warum dies Unrecht stets auf's neue

Begangen wird? Ei, habet Acht:

Weil Männer das Gesetz gemacht.


Strophe 3:

FIGARO.

Zur Sicherheit vor jedem Schaden

Kauft sich ein eifersücht'ger Mann

Zwei Hund' und legt sie an den Laden[125]

Vor seines Weibchens Fenster an;

Die beißen Jeden in die Waden, –

Nur den nicht, der verkauft das Paar,

Und der des Weibchens Liebster war.


Strophe 4:

GRÄFIN.

Gar manche Frau thut stolz und züchtig,

Die ihrem Mann nicht mehr gehört;

Bei einer and'ren ist's nicht richtig,

Die stündlich ihre Treu' beschwört:

Die beste ist, die still und tüchtig

Sich selbst und ihren Werth bewacht,

Doch wenig Wort' und Schwüre macht.


Strophe 5:

GRAF.

Ein braves, treues Weib vom Lande

Gefällt nicht in der großen Welt;

Die Dame nur von hohem Stande,

Die Modedame, sie gefällt.

Sie gleicht der Scheidemünz' im Lande:

Ein einzig Bildniß steht darauf, –

Doch braucht sie Jedermann im Kauf.


Strophe 6:

MARZELLINE.

Die ihm das Leben hat gegeben,

Die Mutter kennet Jedermann;

Das Andre – bleibt im Dunkel eben,

Das nur die Liebe lichten kann.

FIGARO einfallend:

Daraus erklärt sich wohl im Leben,

Warum oft Kind und Kindeskind

Von Narren kluge Leute sind.


Strophe 7:

FIGARO.

Die Wiege schon bestimmt hienieden

Zum Fürstenthron, zum Bauernhaus;[126]

Der blinde Zufall hat geschieden,

Allein der Geist gleicht wieder aus.

So kommt's, daß man trotz Krieg und Frieden

Gar manchen König bald vergißt,

Indeß Voltaire unsterblich ist.


Strophe 8:

CHERUBIN.

O liebe Mädchen, liebe Frauen,

Ihr unser Unglück, unser Glück,

Zwar spricht man oft von Euch mit Grauen,

Und kehrt doch stets zu Euch zurück;

Das Gleich' ist hier im Haus zu schauen:

Gar Mancher buhlt um's Publikum,

Der thut, als scheer' er sich nicht drum.


Strophe 9:

SUSANNE.

Manch tiefe Wahrheit ist gelegen

In unsrem lust'gen, tollen Spiel;

Verzeiht darum, des Spaßes wegen,

Den Ernst, auch wenn er Euch mißfiel.

So will's Natur zu unsrem Segen,

Daß wir durch Wahn zur Weisheit gehn

Und unverhofft am Ziele stehn.


Strophe 10:

FRIEDENSRICHTER.

Ihr He...Herrn, das Stück, aus dem wir gehen,

Und dem Ihr jetzt das U..U..Urtheil gebt,

Es malt, nach der Na..Natur gesehen

Das gute Vo..Volk, wie's leibt und lebt;

Drückt man's, so wird es wi..widerstehen,

Es schreit, es to..tobt, thut dies und das, –

Zuletzt geht A..Alles aus in Spaß!


Zum Ende allgemeiner Tanz.
[127]

Quelle:
Beaumarchais [Pierre-Augustin Caron de]: Figaro's Hochzeit. Leipzig [o. J.], S. 122-128.
Lizenz:
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