XXIII. Der Zauberring.

[94] O Liebe, süsses Weben, das durch das Weltall zieht,

Das, eine Flamme Gottes, in reinen Seelen glüht!

O Liebe, wie so mächtig machst Du das Leben reich,

Und machst es uns zum Himmel und Paradiesen gleich!


Doch wehe, wo sich Kaltsinn Dir rauh entgegenstellt,

Da zittert unterm Eishauch die warme Blüthenwelt,

Und Lenze bergen weinend sich in der Gräber Schooss;

Die finstersten Dämonen lässt dann die Hölle los.


O selig ist's, wo Liebe der Lieb' entgegentritt,

Doch Kaltsinn hemmt mit Dornen dem Waller jeden Schritt;

Und seine Stachelspitzen, die haften nicht am Kleid,

Sie graben sich ins Herz ein, dass es hinstirbt im Leid.


Und ob bei solchen Schmerzen auch Zauber Wirkung thut?

Und einem armen Herzen die Wunden heilet gut?

Ein Zauber? Ja, doch mächtig durch Bann und Formel nicht,

Nur Solcher, der beglückend aus schönen Augen spricht. –[94]


Es minnt' ein edler Jüngling ein holdes Fräulein warm,

Doch Gegenminn' entbehrend, blüht' ihm aus Liebe Harm.

Die Flammen seiner Neigung, dem Mägdlein zugewandt,

Sie kehren gen ihn selber den heissen, glühnden Brand.


Unhold ist ihm die Huldin, unlieb ist seine Lieb';

So grausam unerbittlich der Jungfraun keine blieb.

Ob er aufloht in Gluthen, sie bleibt ein starres Eis;

Ob er hinschmilzt in Thränen, sie giebt dem Hohn ihn Preis.


Darob ein tiefer Kummer den Liebenden umfängt,

Der ihm verscheucht den Schlummer, und seine Ruh verdrängt.

Der so sehr ihn befangen, dass er bald welk und matt

Umschleicht mit bleichen Wangen, gramvoll und lebenssatt.


Und Faustus sieht ihn leiden, sieht seine Liebespein,

Als mit Mephisto wandelnd er einsam geht im Hain.

»Der gäbe,« flüstert lächelnd der Geist voll arger List:

»Die Seele für ein Traumglück, das leicht zu kaufen ist!«


›Die Seele? Ha, so sei sie der Hölle zugebracht!

So reiss' ihn ins Verderben durch Deiner Künste Macht!

Hab' ich nicht auch geschmachtet? Hab' ich nicht auch geglüht?

Der Himmel hat verachtet mein liebendes Gemüth!‹


›So lass uns dessen Thorheit des Trugs Erhörung leihn!

Die Wonne seiner Wünsche lass ganz sein eigen sein!

Dafür dann wird er unser! Anfache Zauberkunst

In ihm, statt reiner Gluthen, die Flammen wilder Brunst!‹ –[95]


Und als der bleiche Jüngling zum Zaubermeister ging,

Das Leid nicht bergen mögend, das ihn so schwer umfing,

Da hat gar freundlich Faustus mit ihm von der gekos't,

Der seine Seufzer gelten, und giebt ihm milden Trost.


Und giebt ihm mehr: ein Ringlein von wunderbarer Kraft,

Lustflammen zu entzünden ist dessen Eigenschaft.

Wer kaum an seinem Finger trägt solchen Zauberring,

Inbrünstig muss er lieben, von wem er ihn empfing.


Dann hin zu der geht Faustus, die Jenen streng verschmäht,

Und in des Mägdleins Seele der Hölle Saat er sä't.

Mit kluggewählten Worten entzündet er in ihr

Hoffnung, Sehnsucht, Verlangen, Inbrunst und wilde Gier.


Der Magus ladet beide mit andern Freunden ein,

In seine bunten Hallen, in seinen Zauberhain,

Der prangt' im neuen Festschmuck und trägt des Lenzes Kranz,

Von luft'gen Musikanten erschallt Musik zum Tanz.


Dort haben frohe Paare gescherzt und sich geneckt,

Dort hat der Jüngling Jener das Ringlein angesteckt.

Das trägt sie kaum am Finger, da wird ihr Herz erwarmt,

So dass sie vor den Gästen den Buhlen fast umarmt.


Nun schwebt' auf leichten Sohlen das Paar durch Tänzerreihn;

Bald aber schleicht's verstohlen zum grünen Schattenhain.

Wo keine Zeugen lauschen dem süssesten Genuss,

Nur Blüthenzweige rauschen, giebt sie ihm Kuss auf Kuss.[96]


Und giebt ihm mehr; und herzt ihn, und liebt ihn flammenheiss.

Er, sich in Himmeln träumend, giebt sich der Hölle Preis;

Er wähnet, wahre Liebe hab' ihn geführt zum Ziel,

Und dienet nur den Bündnern der dunklen Macht zum Spiel.


Am Trug, den sie begonnen, hielt diese Macht sie fest.

Sie sind nun dem gewonnen, der nie sein Opfer lässt.

Und Faustus triumphiret, vom trüben Wahn bethört,

Dass er dem Herrn entführet, die nimmer ihm gehört.


O Liebe, Riesenfackel, Du steckst die Welt in Brand!

Du ziehst mit Höllenflammen hinab vom Abgrundsrand.

Oft dem, der sich in Engelumarmung selig glaubt,

Vergiftend und versteinernd droht ein Gorgonenhaupt.[97]


Quelle:
Bechstein, Ludwig: Faustus. Ein Gedicht, Leipzig 1833, S. 94-98.
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