XXIX. Die Graefin von Anhalt.

[118] Es lebt im Menschenherzen ein wunderbarer Drang,

Der es zur Freude hinlockt wie magischer Gesang.

Was seinem Wünschen schmeichelt, erfasst der Erdensohn,

Sei's Blüthe der Empfindung, sei's Farbe, Duft und Ton.


Nach Lust verlangt das Kind schon, das noch die Amme trägt,

Nach Lust verlangt der Jüngling, dess volle Kraft sich regt;

Der Lust begehrt das Alter bis an den letzten Tag,

Was immer lebt, es strebet der holden Göttin nach.


Noch wunderbarer regt sich oft seltsames Gelüst,

Dess unerklärter Ursprung ein tiefes Räthsel ist;

Ein Räthsel und ein Schleier gewoben wundervoll,

Der nicht von Männerhänden gehoben werden soll.


Und wem ein Gott verlieben uns zu erfreun die Kunst,

Dem sprudelt dankbarlohnreich der Götterwein der Gunst.

Vom Hesperidenbaume des Glücks er Früchte bricht,

Und seine hellen Blüthen sich um die Schläfe flicht.[118]


Auch Faustus hascht begierig nach jener Glücksfrucht Lohn:

Er steht mit seiner Vollmacht vor manchem Fürstenthron,

Er, dem die Geister dienen, wenn sie sein Zauber rief,

Er ist ein Hofmann worden, neigt sich vor Schranzen tief.


Wohl bleibt es immer herrlich, in deren Gunst zu stehn,

Die Glück vor Allen hochstellt auf Lebenssonnenhöhn.

Doch anders ist's, ob einer in's heilge Frühroth sieht,

Und anders ob er knechtisch im Staub vor Götzen kniet. –


Als noch auf Bergeszinnen das Schloss von Anhalt stand,

Flog mancher Blick hinunter in ein beglücktes Land,

Sah Wälder, grüne Wiesen, sah Dörfer, grünumlaubt,

Des Harzwald Bergesriesen, des Brocken blaues Haupt.


Dort weilt der Graf von Anhalt mit seinem Ehgemahl;

Sie schauen von der Berghöh herab ins Selkethal.

»Sieh Theure, dort hinunter! Wer mag der Reiter sein?

Der stattlich Wohlgeschmückte, zwei Diener hinterdrein.«


»Ihn trägt so stolz sein Schwarzross, wie er sein Prunkgewand;

Der eine der Begleiter scheint von gelehrtem Stand.

Der zweite, dem vom Hute die rothe Feder weht,

Mag wohl ein lustger Rath sein, der guten Scherz versteht.«


»Sie ziehn herauf. – O Wunder! Und sieht mein Auge recht?

Das ist – weit auf das Burgthor! – Er ist nicht von Geschlecht.

Und doch so grossen Namens, dem keiner gleichen kann,

Berühmt in allen Landen – ja, Faustus ist der Mann!« –[119]


Er reitet mit den Dienern durchs hohe Schlossthor ein,

Er grüsst den edlen Schlossherrn mit seiner Dame fein.

Sie heissen ihn willkommen, sie laden ihn zur Rast;

Froh sieht sich aufgenommen der weitgenannte Gast.


Und als mit wackern Rittern er sitzt beim Grafenmahl,

Reicht ihm die Edeldame kredenzend den Pokal.

Da trifft sein Aug' die Schöne, und schamhaft sinkt ihr Blick,

Und wendet zu dem Gatten sich liebevoll zurück.


»Euch sei'n des Glückes Sterne mild freundlich zugewandt!

Wie dem, was unterm Herzen Euch ruht, der Liebe Pfand!

Sprecht, edle Gräfin, hättet Ihr nicht ein Fraungelüst?

Das möcht' ich Euch erfüllen, so mir es möglich ist!«


So Faust, und ob die Dame das Auge niederschlägt,

Will sie doch nicht verbergen, wonach sie Wünsche hegt.

»Wohl wünscht' ich längst mir Früchte, wie sie der Herbstmond beut,

Doch Birn und Traube reift nicht in dieser Jahreszeit!«


Sie spricht es mit Erglühen, sie steht in holder Schaam,

Als Faustus vom Kredenztisch die Goldpatene nahm;

Und öffnet gleich das Fenster, hält sie hinaus geschwind,

Und aus des Zaubrers Händen führt sie hinweg der Wind.


Der aber hebt den Becher empor zum andernmal,

Und glückverkündend tönet sein Trinkspruch durch den Saal.

Dann schreitet er zum Fenster, hält seine Hand nur hin,

Gleich, als er sie zurückzieht, ist die Patene drin.[120]


Und ist gefüllt mit Früchten im warmen Süd gereift;

Lichtgoldne Birnen, saftvoll, Melonen, bunt gestreift.

Anch Trauben, lockend schwellend, mitkamen durch die Luft;

Thaufeucht und überhaucht noch vom zarten weissen Duft.


Und Faustus nun der Dame die Früchte kniend beut:

»Esst wohlgemuth, Frau Gräfin, was meine Macht Euch weiht.

Dass nicht versagtes Sehnen Euch schmerzt und niederdrückt,

Ward ans Vertumnus Füllborn diess Fruchtgeschenk entrückt!«


Wie dankt der Graf ihm freudig, und seine Gattin nimmt

Die wundersüssen Früchte, dem leisen Wunsch bestimmt,

Und stillt die Sehnsuchtstimme, die mächtig sie durchklang,

Wer aber löst die Räthsel von solchem Wunderdrang? –[121]


Quelle:
Bechstein, Ludwig: Faustus. Ein Gedicht, Leipzig 1833, S. 118-122.
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