XXX. Das Lustschloss.

[122] Wie Faustus wieder weiter von Anhalt denkt zu gehn,

Soll noch ein Zauberkunststück sein hoher Gastfreund sehn.

Gern zeigt des Dankes Blüthe sich in der höchsten Pracht,

Wenn Abschiedstunden nahen, wenn Trennung traurig macht.


Ein Rosenbaum ist Freundschaft im Lebensgarten traun!

Er ist voll zarter Blumen und Knospen anzuschaun.

Die Jugend naht und pflückt sich zum Strauss der Rosen viel';

Doch Rosenblätter werden gar oft der Winde Spiel.


Und mancher kluge Gärtner nimmt von dem Baum ein Reis;

Nimmt Leben von dem Leben, und pflegt's mit rechtem Fleiss.

Und freut sich still der Blüthe, die seine Treue lohnt,

Und Jedem blüht doch einmal der Freundschaft Rosenmond.


Wie gerne will die Freunde manch Scheidender erfreun;

Schlingt Blumen um den Becher, darin der Abschiedswein,

Dass, wenn der Wehmuth Zähre nun auf die Blumen fällt,

Für einen Tropfen Thaues sie der Geliebte hält. –[122]


Dort wandeln Graf und Gräfin mit Faust im Waldesgrün;

Der Maimond ist erschienen und tausend Blumen blühn.

Die Quellen springen fröhlich, die Vöglein singen laut,

Verwundert jetzt zum Berge der Blick der Wandrer schaut.


»War das nicht sonst ein Hügel, kaum eine Blume drauf?

Jetzt? – Trugen Zauberflügel das schöne Schloss hinauf?

Herbei, herbei, das Wunder dort auf dem Berg zu sehn!

Sah jemals wer dort droben solch schönes Lustschloss stehn?«


Sie wandeln zu der Anhöh, sie nahen dem Gebäu,

Sie meinen, dass dem Boden es kaum entstiegen sei.

Fünf hohe Thürme heben sich hoch und stolz empor,

Die Zugbrück' lässt sich nieder, auf springt von selbst das Thor.


Rund um den Wall gezogen ist eine Wasserbahn,

Dort rudern Taucher plaudernd, dort stolz der Silberschwan.

Der Reiher zeigt dort prächtig der Federn schönen Schein,

Der Kranich steht bedächtig und ernst auf einem Bein.


Im Burghof hat gesellig ein buntes Treiben Statt,

Wie vor der Arche Noäh dereinst auf Ararat.

Dort springen Affen tanzend, dort grollt ein schwarzer Bär,

Dort wandelt neben Tigern der Löwe sanft umher.


Und Faustus führt ins Lustschloss die Freunde nun herein;

Da winkt ein leckres Frühmahl und auserlesner Wein.

Die Tafel ist mit Blumen von seltner Art geschmückt;

Nichts fehlet, was erfreun mag, nichts mangelt, was entzückt.[123]


Und wie voll Dank und Freude die Gäste wieder gehn,

Und oft zurück zum Hügel, auf dem das Lustschloss, sehn;

Da flammt aus allen Fenstern lichtlohend Blitz auf Blitz,

Da dröhnt es auf der Berghöh, wie donnerndes Geschütz.


Und Feuersäulen wirbeln empor im hellen Brand,

In Gluth und Dampfgewölken das schöne Schloss verschwand.

Am andern Tag lief einer den Hügel dort hinauf,

Der fand nur grünes Riethgras und alte Knochen drauf.


Und Faustus sprach zum Wagner, als dort die Flamm' entstand:

»Sieh Freund, mein Mene Tekel: ich schreib's mit eigner Hand.

Schreib's an den blauen Himmel und auf die grüne Trift,

Und hier in meinem Herzen brennt lange schon die Schrift.«


»Wir haben liebe Freunde gespeist hier und getränkt,

Doch keiner ist gesättigt, so viel wir eingeschenkt!

So ist's auch mir ergangen, mein Wagner, manches Jahr;

Ich lieg' am Born des Lebens, ach, durstig immerdar!«


Von Anhalt scheidet Faustus, wohin er heiter kam,

Der nun betrübten Herzens auf immer Abschied nahm.

Auf immer ist ein Wörtlein, das Glück mit Goldschrift schreibt,

Doch auch ein Wort, das Thränen in unser Auge treibt.


Auf immer, schwört die Liebe; die Treu hat gleichen Spruch:

Auf immer schwört auch Freundschaft, und jede kommt zum Bruch.

Lacht Dir des Glückes Schimmer, beugt Schmerz Dich unverhofft,

Denk': Es ist nicht auf immer, und beide wechseln oft.[124]


Wenn Scheiden unser Schmerz heisst, will Keiner gern gestehn

Dass Ahnung leise flüstert: Auf Nimmerwiedersehn!

Ein stiller Mond der Hoffnung geht auf in heilger Pracht,

Wenn Freudensonnen sinken, wenn Trennung traurig macht.[125]


Quelle:
Bechstein, Ludwig: Faustus. Ein Gedicht, Leipzig 1833, S. 122-126.
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