XXXI. Die Heimkehr.

[126] Und wohl macht Trennung traurig, und wohl ist's bittre Pein,

Von allem was wir lieben so weit entfernt zu sein,

So weit, dass uns die Treue, der wir vertraut, vergass;

Ein Freund vom Faustus solches mit bitterm Schmerz ermass.


Dem flossen Tage golden dahin und ungetrübt,

Von einer jungen Gattin recht warm und treu geliebt;

Doch einer dem zu wohl ist geht tanzen auf das Eis;

Und mancher ist, der Unglück, nicht Glück zu tragen weiss.


Der Edle sitzt mit Freunden an froher Tafelrund;

Sie trinken fremde Weine aus Ungarn und Burgund.

Und fremde Länder preiset ein Jeglicher gar sehr,

Jemehr der Becher kreiset, das Reisen um so mehr.


»O Hellas!« ruft der Eine: »gebenedeites Land!

Könnt' ich nur Dich erschauen! Der Inseln Blumenstrand,

Die Stätten, uns geheiligt durch Mythen und Gesang,

Die Schlösser, laut umtost einst von eh'rner Waffen Klang!«[126]


Ein Andrer ruft, und Freude verklärt sein Antlitz ganz:

»Vor allem würd' ich eilen zum göttlichen Byzanz!

Des Ostlands heilge Roma; die Meerbraut, reich geschmückt,

Die Asien und Europa an ihren Busen drückt!«


»Auf Brüder, lasst uns reisen!« ruft eines Dritten Mund;

»Das giebt ein köstlich Leben! Die Hände her zum Bund!

Ein Wort, ein Mann! Wie wollen wir frei und fröhlich sein!«

Und alle sind's zufrieden, und alle schlagen ein.


Die Wallfahrt ist beschlossen, nur einem ist sie leid;

Wie reut den jungen Gatten sein übereilter Eid.

Doch ist das Wort gegeben, entbunden wird er nicht,

Ihm wächst aus Freude Kummer, aus Leichtsinn schwere Pflicht. –


Nicht was sie froh geträumet, den Reisenden erschien;

Wohl sahen sie gesäumet manch Inselufer grün,

Doch davon, was gelesen sie sonst im Väterhaus,

Stand nur das Wort gewesen noch über Schutt und Graus.


Wo freie Völker waren beglückt und reich und stark,

Da saugten jetzt Barbaren der Unterjochten Mark.

Wo gastlich jede Pforte sonst stand dem Wandrer auf,

Hemmt jetzt die hohe Pforte die Reisenden im Lauf.


In Fesseln fand die Endschaft die ganze Pilgerschaft;

Und mehr als einer wurde vom Tod dahingerafft.

Zur Heimath flog die Kunde, dass alle Freunde todt,

Wie klagt die junge Wittwe, und weint die Augen roth.[127]


Doch trocknen Wittwenzähren so leicht, als andre mehr;

Dann späht ein freies Auge nach Freiern bald umher.

Und eh' das Jahr verflossen, das Trauer ihr gebeut,

Ist schon zu neuer Ehe die junge Frau bereit.


Da fragt der Faust Mephisto, ob wirklich todt sein Freund?

Und hört mit Schreck und Staunen, wie das der Geist verneint.

Nun muss der Zaubermantel der Freundschaft hülfreich sein,

Und dem gefangnen Armen windschnelle Flügel leihn.


Schon wird zur neuen Hochzeit gerüstet und geschafft,

Da kehrt der Todtgeglaubte heim aus der Kerkerhaft.

In seinen Armen weinte die Neuverlobte zwar,

Seis nun, dass es vor Freude, dass es vor Trauer war.


Und Faustus naht mit Lächeln und redet mit Verstand:

»Wenn Dir ein junges Weib lebt, so bleibe fein im Land.

Lass sie nicht einsam weilen und zieh' nach der Türkei,

Nicht immer machen Freunde zu rechter Zeit Dich frei.«


»Und Du, die treuvergessen der neuen Eh' begehrt,

Nicht jeder Zeitung traue, die todt den Mann erklärt,

Wo Lügen sind willkommen, da kommen sie gar gern,

Bleib' eingedenk des Sprüchleins: Untreu schlägt ihren Herrn.« –


Ein ächtes Gold ist Treue, zum reichen Schatz geprägt,

Und reich ist der zu preisen, der Treu im Herzen trägt.

Ach Treu wird oft vergessen, verhöhnt auch sonder Scheu,

Und manches Herz vergisst sich, und wird untreu der Treu.[128]


Treu sein dem Edeln, Guten ist edel sein und gut,

Und Treu sei Deine Freundin, die Dir am Busen ruht.

Wer von sich stösst die Treue, wer heilge Schwüre höhnt,

In dessen Brust oft Reue, als Trauernachhall tönt.


Fanstus verlässt die Beiden, die nun aufs Neu vereint;

Nicht wissend ob den Dank ihm vereinte Reu verneint? –

Der Himmel lächelt sonnig im ätherblauen Licht,

Faust will zum Himmel blicken – und das vermag er nicht.


»Für mich – giebt's keine Heimkehr, mich – rettet keine Hand,

Ich habe längst verlassen mein bessres Vaterland.

Ich hab' der Treu vergessen, die nun mein Schmerz vermisst;

Gott trotzt' ich so vermessen, dass mich sein Herz vergisst!« –[129]


Quelle:
Bechstein, Ludwig: Faustus. Ein Gedicht, Leipzig 1833, S. 126-130.
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