357. Zauberweiber in Berlin

[250] Zu Berlin lebten im Jahre 1553 zwei arge Zauberinnen, die konnten Reif und Schnee, Eis und Hagel machen und machten dessen auch, die Frucht zu verderben. Einstmals stahlen sie einer Nachbarin ein junges Kind, töteten und zerstückelten es und kochten es in ihrem verfluchten Hexenkessel. Die Mutter, welche ihr Kind vermißte und suchte, kam zu diesen Weibern unversehens, warf einen Blick in den Kessel, sah darin ihres verlorenen Kindes Gliederlein und entwich schweigend, die Untat dem Rate anzuzeigen. Der sandte alsbald Männer, welche die Weiber ergriffen und gefangen hinwegführten. Da sie nun peinlich befragt wurden, was sie mit ihrem Geköch für eine Absicht gehabt, so gestanden sie ein, sie hätten ein Unwetter zuwege brauen wollen und einen darauffolgenden großen Frost mit Eis, daß alle Blüte und alle künftige Frucht hätte verderben sollen. Da wurde ihnen nach Verdienst gelohnet; sie wurden auf Schleifen zum Tore hinausgeführt, unterwegs mit glühenden Zangen gezwickt und draußen auf dem Anger lebendig verbrannt.

Ein paar andere solche Hexenweiber und liebste Teufelsbuhlen zu Berlin waren zu einer Zeit in einem Wirtshaus beisammen, die hatten jede eine Gelte voll Wasser vor sich, rührten darinne, streuten schwarzes Pulver hinein und[250] hatten dabei viel unverständlichen Gemürmels. Der Wirt, der selbigen Weibern nicht über den Weg traute, hatte in der Wand ein Guckloch und lugte und lauschte, was sie trieben. Und da fragte die eine: Was meinst? Soll es dem Korn gelten oder dem Weine? – Allen beiden! antwortete die andere. – Und wann? fragte die erste wieder. – Morgen in aller Frühe, ehe der Tau fällt, sprach die andere. Darauf haben sich die Hexenweiber zu Bette gelegt, und da hat sich der Wirt in die Kammer geschlichen und die Gelten über die Schlafenden ausgeschüttet und dazu gerufen: Allen beiden! Da wurde im Augenblick das Wasser zu Eis, das umschloß die Weiber und umgab sie rings gleich einer Rinde, darinne sie erfroren und erstickten. Die Flur mit Korn und Wein aber war gerettet.

Quelle:
Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 250-251.
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