Capitul XII
Herr Lorenz reitet auf eine Hochzeit

[36] In dieser Zeit bekam Herr Lorenz ein Hochzeit-Schreiben folgenden Inhalts: »Geliebter Herr Bruder! Ich weiß, daß du nicht gern lange Briefe liesest, darum mache ich's kurz und vermelde, welchergestalten ich künftigen Sonntag acht Tage, wird sein der 23. Februarii, mit der adeligen Jungfer Christiana Katzenschwänzin allhier zu Furzdorf werde Hochzeit machen. Zu solcher lade ich dich freundlich ein und versehe mich deiner Gegenwart so gewiß, so gewiß du der glückseligste Edelmann in der ganzen Welt bist. Vale!«

»Saprament, Hans«, sagte Herr Lorenz nach Verlesung dieses Schreibens, »der Kerl weiß, nach was für einer Pfeife ich am liebsten tanze. So muß man mir aufwarten, wer mich recht respectieren will. Hei, es freut mich dennoch, daß die Schabhälse erkennen müssen, daß ich der vergnügteste und glückseligste Cavalier in der ganzen Welt bin. Ich bin's auch und werde es jederzeit sein und verbleiben, aber warum sind die Eselsköpfe nicht auch so glückselig wie ich? Ließen sie sich den Buckel krauen wie ich, so würde die Sache bald ein anderes Aussehen haben. Aber so lange sie ihren Alfanzereien nachgehen und dem keinnützigen Frauenzimmer aufwarten, so lange haben die Narren das Krauen hinter den Ohren und können zu keiner Perfection des zeitlichen Lebens geraten. Hans, ich habe mich geresolvieret, auf die Hochzeit zu reiten. Saprament, da will ich lustig sein! Was ich nicht mag, das sollst du zu fressen bekommen, und sieh nur beizeiten um einen großen Kalier, darein du die Bißlein schieben und aufheben[36] kannst. Ich weiß, daß sie stattlich tractieren werden, darum so muß ich mich auch sehen lassen, was ich bin und was ich vermag. Hans, alle meine Leute auf dem Schlosse müssen mit mir, und wenn ich bei der Tafel den Namen Hans rufen werde, so muß nicht etwa einer oder der andere, sondern alle müsset ihr gelaufen kommen. Alsdann werden die Gäste denken: Potz Stern, wie ist dieses ein prächtiger Edelmann! Hat er nicht fleißige Aufwärter, sind dies nicht fixe Diener? Ja, Hans, da werdet ihr einen Respect verdienen, der die Küsterswürde um sechs Grad übertrifft.«

In diesen Gedanken ging die Zeit allgemach herum. Da machte er sich mit mir und dem Torwärter samt noch andern vier Knechten auf den Weg, weil er willens war, frühzeitig auf der Hochzeit zu erscheinen. Wir mußten über eine Fähre, und weil solche von dem stark anhaltenden Frost ganz verfroren war, mußten wir den Fluß besser hinunter und also über eine Brücke reiten, dadurch wir an der vorgenommenen Reise über vier Stunden verhindert worden.

Die Spielleute strichen gleich den Tanz »Es ging ein Bettelmann aus Ungarn heraus«, als wir vor dem Hochzeitshause angelanget und Herr Lorenz von dem Bräutigam mit einem Glas Wein über das Fenster bewillkommet war. Hiermit stiegen wir alle von den Pferden und begleiteten unsern Herrn eine steinerne Treppe hinauf, an deren Ende die Tür in die Hochzeitstube war, darin man ob- und untereinander fressen und saufen sah, daß einem Hungrigen das Maul davon hätte mögen wässerig werden.

Als man hörte, daß Lorenz hinter der Wiesen angekommen, stand alles auf, den wunderlichen und im ganzen Land berufenen Menschen zu sehen. Und aus dieser Curiosität gebrauchten sich etliche, so von fern saßen, ihrer Brillen und Perspective, andere aber, die etwas kürzer von Statur, standen auf Bänk und Stühle, und der gemeine Haufen der Aufwärter bestiegen den Ofen, und weil dieses Volk nach angeborenem Brauch etwas unbescheidener umgegangen, brachen sie den Ofen ein und wurden ihrer etliche von eingelegtem Feuer verbrennet. Dieser Aufstand und Spektakel kitzelte Herrn Lorenzen in dem Herzen und: »Siehstu, Hundsfutt«, sagte er mir ins Ohr, »wer ich bin? Ist es doch als ob ein großer Potentat angekommen wäre. Gelt, ich kann die Leute in Verwunderung stürzen, daß sie weder fressen noch saufen können? Ha, es wird noch lustiger werden, lasse dir nur die Zeit nicht lange sein!« Mit solchen Worten setzte man ihn unter die Vornehmsten, weil er nicht allein als ein von einem vornehmen Geschlecht herstammender, sondern auch als ein über die Maßen kurzweiliger Mensch dahin von den andern ist begehrt und verlanget worden.

Quelle:
Johann Beer: Das Narrenspital sowie Jucundi Jusundissimi Wunderliche Lebens-Beschreibung. Hamburg 1957, S. 36-37.
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