Capitul XXV
Wer die zwei größten Narren im Spital gewesen

[63] »Hans«, sagte mein Herr auf der Heimreise zu mir, »wir haben vielerlei Narren in dem Spital gesehen, aber was meinstu, welcher ist der größte darunter gewesen?« »Herr«, sagte ich, »die größten Narren waren ich und Ihr. Denn Ihr erkennet weder Himmel noch Hölle, führt ein Leben, das keinem Menschen nützet, Eure Tugenden sind Fressen, Saufen und Schlafen. Und solchergestalt wird Euer stattliches Gut durch Verwahrlosung des Gesindes endlich zugrunde gehen und Ihr der elendste Mensch unter der Sonnen werden. Saget mir nur, wer seid Ihr, daß Ihr Euerm eigenen Untergang so sehr entgegen gehet? Wäre es nicht klüger getan, daß Ihr eine kluge Hauswirtin hättet, die auf das Eure ein offenes Auge hätte? Alsdann könntet Ihr ohne Sorg und Schaden schlafen, bis die Kälber Strümpfe stricken lernen.« »Hans«, sagte Lorenz, »warum bist du der größte Narr?« »Herr«, sagte ich, »darum, daß ich meine edle Zeit, die weder mit Gold noch Silber kann gekaufet werden, so elend und in der größten Faulenzerei bei Euch zubringe. Was meinet Ihr, das endlich aus mir werden wird? Ein Straßenräuber und Dieb, der nicht das Narrenspital sondern den Galgen zu fürchten hat. Das Müßiggehen gewohne ich, nichts lerne ich, fressen will ich, ernähren kann ich mich nicht, arbeiten mag ich nicht. Darum saget mir, ob ich nicht samt Euch der größte Narr von der Welt sei, daß ich bei Euch sitze und den Buckel kratze?« »Ja, mein Hans«, sagte Lorenz, »es ist wahr, und du hast mir einen ganz andern Zunder in meinem Kopfe angefeuert. Ich will hinreisen zu der Frau von Spitzhausen. Die hat die schönste Tochter in dem ganzen Land, begleite mich nur dahin. Alsdann, sobald ich Hochzeit gehalten, will ich dich hinziehen lassen, wo du willst. Du darfst nicht meinen, daß ich dich mit ledigen Händen will davonjagen, wie itzo die Herren zu tun meisterlich gewohnet sind. Ein Taler oder hundert tun viel bei der Sache, damit kannstu noch was Ehrliches lernen. Ha, Saprament, es verdrießt mich selber, daß ich meine Mittel nicht besser angewendet und die edle Zeit so versäumet habe. Aber Hans, wenn ich werde Hochzeit gemacht haben, wird alles über andere Leisten geschlagen werden.« Nach solchem beurlaubte mein Herr die Hochzeitsgäste und ritt mit mir samt noch vier anderen Dienern auf das adelige Schloß zu der von Spitzhausen. Es kam nach wenigen Tagen zu der Heiratsabrede, und weil Lorenz für den reichesten Cavalier im ganzen Lande gehalten wurde, war die geizige Mutter trefflich auf seiner Seite. Aber die Jungfer wollte nicht allerdings gern anbeißen, denn sie hatte genugsam gehört, was Lorenz für ein ehrbarer Gesell sei und was für ein liederliches Leben er die Zeit seines Lebens geführt hatte.

Quelle:
Johann Beer: Das Narrenspital sowie Jucundi Jusundissimi Wunderliche Lebens-Beschreibung. Hamburg 1957, S. 63-64.
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Sämtliche Werke - Band 5. Weiber-Hächel, Jungfern-Hobel, Bestia Civitatis, Narren-Spital. Herausgegeben von Ferdinand van Ingen und Hans-Gert Roloff
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