Capitul VI
Lorenz eröffnet seine Meinung, was er von dem Pfaffen und seinen Vettern halte

[24] Als er nun durch mich versichert war, daß er keinen Schuß hätte, erhob er sich von der Erden und sagte: »Hans, wie stehen dir die Kerls an? Gelt, sie sind Mauseköpf und Krautkönige, ich dachte, sie wollten mich gar ins Kloster jagen und zu einem Pfaffen machen. Ja ja, lasset euch nichts davon träumen, ihr guten Fratres, ich wollte mich eher mit ungrischen Degen in Stücke zerhauen lassen, wie man die Rüben zerhacket, eh ich ein Pfaff werden wollte. Heiraten mag ich zwar dermalen auch nicht, was aber geschehen dürfte, da muß ich erst in den Calender nachsehen. Die Narren meinen, ich sei gar ein Hundsfott. Oh, daß ich mich nicht darauf besonnen und geschwinde ein Dutzend gesalzener Fürze losgelassen habe! Ach, bin ich nicht ein rechter Flegel, daß ich mich nicht darauf besonnen habe? Hans, wann's wieder so kommt, so mahne mich daran, da will ich schießen, und sollen meine Hosen Löcher wie die Wamsärmel bekommen. Sie[24] werfen mir vor, ich ließe mir von dir den Buckel kratzen. Ich wollte, daß sie mir statt deiner in dem Arsche kratzen müßten, als dann würden sie von allen Badern in Teutschland bei der Obrigkeit verklagt werden, daß sie ihnen ins Handwerk fielen. Ja ja, mein lieber Hans, die Schabhälse vergönnen mir keine Recreation. Sie wissen wohl, was für eine unbeschreibliche Ergötzlichkeit dahinter verborgen liege, darum vergönnen sie mir's nicht. Recht so, Hans, du bist ein Kerl von großer Geschicklichkeit, und ich gestehe dir, daß mir all mein Lebtag kein Jung den Buckel so rein abgekratzt hat als wie du. Weil der ausgedörrte Capuziner keinen Branntwein mit mir hat trinken wollen, so mußtu mit mir trinken. Ich will wohl die Zeit erleben, da der Capuziner für einen Sechzehnteil solches Branntweins gerne wird fünf Gülden geben, aber ich wollte ihm keinen Tropfen reichen, und sollte er mir seinen Mantel samt seinen zerrissenen Schuhen, oder wie man das Gefräß heißet, schenken und dedicieren. Hans, Hans, ich bin ein braver Kerl, sonst kein Mensch in der Welt! Ich weiß, was die rechte Gemütsruhe ist, warum sollte ich mir meinen Kopf mit vielen Sorgen zerreißen? Ich habe zu essen und trinken genug, schere mich nicht viel nach der bärenhäuterischen Ehre, sonst wollte ich schon lang zu Constantinopel Vicekaiser sein. Ha, es ist ein schlechter Pfifferling, in der Welt herum zu reisen. Ich lobe meinen Ofen dafür, da setze ich mich mit einem Glas Wein und einem Stück Semmel hinter die Hölle und trinke es den Ofenkacheln die Reihe herum zu, auf Gesundheit meines Pudelhundes. Die Kerle kommen mir in mein Eigentum, mich zu examinieren, das sind rechte Narren, Hans, sie wollen eine Gelehrigkeit finden, wo keine ist. Nun verdrießt mich's erst, daß ich nicht wacker gefurzet habe. Der eine hatte gar das Herz und schießet mir in die Fenster, der Teufel soll ihn samt seiner Büchse holen! Hätte er mich getroffen, ich wollte ihm Füße gemacht haben, daß der eiserne Hahn auf unserer Dorfkirche hätte darüber lachen sollen. Hans, bleibe du bei mir, heute nacht mußt du mich auf den Fußsohlen kitzeln. Lies noch ein Capitul oder zwei aus dem Hug Schapler oder dem Ritter Wigalois und lasse dich meine sauberen Vettern im Arsche lecken! Sie sollen mich nicht mehr aus meinem Bette bringen und sollten sie alle türkischen Schimmel an mich spannen. Sind das nicht alte Hosenscheißer? Dürften sich unterstehen, mir einen Leviten herunterzulesen und sagen, daß ich ein ganzes Jahr nicht in die Kirche gekommen! Hei, so liege, daß dir der Hals verkrumme und du ein Aussehen hast wie eine getaufte Maus! Wär ich ein ganzes Jahr nicht in die Kirche? Oh, ihr Schelmen! Bin ich dies vergangene Jahr nicht über fünf Mal drin gewesen, so wollt ich, daß mich der Buckel mein Lebtage nimmer juckte. Doch muß man sich wider Recht und alle Billigkeit wider seinen eignen Willen Gewalt und Unrecht tun lassen. Patientia, mein lieber Hans, was kann man tun? Geh und bringe den Branntwein, ich will mein Leid mit dir versaufen. Die alte Anna mag der Teufel holen und einen Sauerbraten aus[25] ihr machen. Ich bin Herr für mich allein und Kaiser in meinem Schlosse. Mein Tauben-Kobel ist mir so lieb als ein Ball- oder Reithaus. Weswegen sollte ich mich viel in den Wäldern und auf der keinnützigen Jagd herumschleppen? Hans, ein paar Katzen dafür gehetzet, tut eben das und noch viel mehr, als den Füchsen und Wölfen nachzulaufen. Es ist genug, daß mir's mein Jäger in die Küche und die Köchin auf den Tisch bringet. Nichts verdrießt mich mehr, als daß sie so mühsam zu tranchieren sind, drum freß ich Nudel, Nocken und Sterz noch so gern als Federwildbret, denn es braucht nicht viel Zerlegens damit, sondern wenn sie hübsch geschmalzen sind, gehen sie hinunter, ehe man die Ohren dazu rühret. Hans, gelt, du hältst es mit mir? Meine Vettern mögen sagen, was sie wollen, ich halte stattlicher Haus als sie. Sie sitzen hin und spielen oft eine ganze Wochen. Dafür lege ich mich in die Hölle, mein lieber Hans, da schnarche ich in der Wärme ein wie eine Küchenratz. Erwache ich dann, so habe ich nicht allein nichts verspielet, sondern betrachte noch dazu meine artigen Träume, die mir in dem Schlafe vorgekommen.«

»Herr«, sagte ich, »was träumet Euch denn?« »Oh, du Narr«, sagte er, »es träumet mir Zeug untereinander, darüber ich viel mehr als über die lustigsten Comödien zu lachen habe. Erspare also hiedurch auch wieder etliche Groschen, die meine Vettern geben müssen, wenn sie solche spielen sehen und noch dazu in denselben das Frauenzimmer mit Confect bedienen, dadurch sie in vielfältige Unkosten gestecket werden. Wenn andere hinausgehen auf die Jagd, so zerreißen sie die Schuh und nützen die Kleider ab. Ich aber spare durch den Schlaf nicht allein die Kleider, sondern verhüte auch die Schelmerei meiner Schloßbedienten, denn sie wissen, daß ich allezeit gegenwärtig und zuhause bin.«

»Mein lieber Hans«, sagte er ferner zu mir, »betrachte es nur selber, ob ich's so gut hätte, wenn ich gleich ein Doctor wäre. Oh, lieber Monsieur Feuerfax, Haarwuchs im Arsch ist kein Flachs. Nimmermehr hätt ich's so gut. Ich müßte studieren, gribulieren, disputieren, spintisieren und narrieren von dem und zu dem, da hinein, dort hinaus, bald hinauf, bald hinab. Nein, nein, Bruder Stiegelhupfer, davon schreibt Marcus kein einziges Wörtlein. Hat sich wohl Doctor, ein Narr wär ich worden und kein Doctor, und zu dem so will jetzo ein jeder Gelbschnabel flugs Doctor sein. Sie werden Magister fix, danach so werden sie auch bald darauf Doctor nix. Hans, Hans, ich lobe mir dein Buckelkratzen dafür, und was ist zwischen dir und einem Doctor für ein großer Unterschied? Sie krauen den Bauern den Beutel und du krauest einem Edelmann den Buckel, sie gehen im Sammetrock und schlafen oft auf groben Bauerntüchern, und du gehest hingegen in einem Bauerntuch gekleidet und schläfst bei mir in adeligem Bettgewand. Sie fressen, so wahr ich ein ehrlicher Kerl bin, nicht so gut als du, mein lieber Hans, und was noch das meiste ist, so habe ich und du ein viel besseres Gewissen als sie alle miteinander.[26] Ha, Hans, hörst du nun, wo der Has im Pfeffer liegt? Doctor hin, Doctor her, du bist auch kein Narr, bringe du den Branntwein her, wir wollen noch weiter von der Sache reden.«

Quelle:
Johann Beer: Das Narrenspital sowie Jucundi Jusundissimi Wunderliche Lebens-Beschreibung. Hamburg 1957, S. 24-27.
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