Sechste Scene.

[465] Juliane. Keith.


JULIANE.

Ihr meidet unsern Hof, Sir Robert Keith?

Wir haben's wohl bemerkt und euch vermißt.[465]

KEITH einen Brief überreichend.

Dies von der Majestät des Königs, meines Herrn.

JULIANE.

Vom Könige von England, sehr willkommen.


Nachdem sie mit sichtbarer Bewegung gelesen.


Ha, seh' ich recht, man droht uns? Welche Sprache,

Welch' kühne Warnung? Sir, in diesem Lande

Bin ich jetzt Königin.

KEITH.

Nicht, Eure Majestät –

Die Königin von Dänmark weint im Kerker.

JULIANE.

Weint sie? Wohl ihr; laßt sie in ihrem Kerker

Beweinen, was sie hier verbrochen! Wahrlich,

's ist an der Zeit, daß sie mit heißer Reue

Die Flecken ihrer königlichen Seele

Vertilge.

KEITH.

Ihre Seele richtet Gott;

Daß aber ihre ird'schen Thaten nicht

Der Menschen Bosheit richte, Haß und Falschheit

Nicht ihre freie, königliche Neigung

Brandmarke mit dem Stempel sünd'ger Flammen;

Das, Königin! wird England nicht gestatten.

Man soll die Welt nicht mit dem Mährchen täuschen:

Sie sei ein frevelnd Bündniß eingegangen[466]

Und habe nach der unumschränkten Krone

Gestrebt, die sie besaß. Sie war die Mächt'ge!

Ihr blieb nichts mehr zu wünschen, als die Feinde

Versöhnt zu seh'n. Wie ihr der Wunsch erfüllt ward,

Das wißt ihr, Majestät! Ihr wißt es auch,

Wie man geschäftig jetzt bestoch'ner Diener

Verräth'risch Zeugniß nützt und wider sie

Des Hochverrathes blut'ge Klage schmiedet.

Doch England, Königin! ist nicht gesonnen,

Zu dulden, daß ein blut'ger Richterspruch

Die edle Königstochter treffe. – England

Schickt seine Flotten aus, und eine Welt

Erzittert, und auf dieser kleinen Insel

Sollt' ihm ein friedlich bill'ger Wunsch versagt sein?

O möcht' es euch gefallen, Königin!

Ein gnädiges Gehör mir zu gewähren,

Sonst dürfte bald ein donnernd Meer in Waffen

Euch rächend fragen: Wo ist Englands Tochter?

JULIANE.

Wir würden nicht die Antwort schuldig bleiben.

Welch eine Sprache, Sir? Mit solcher Drohung

Wähnt man ein Reich zu schrecken? In der That,

Die Sprache ziemt euch jetzt, indeß man sorgt

Und zittert in dem Parlament und wägt,

Wie man des Landes innern Zwist bekämpfe.

Die Colonieen werden schwierig, Sir.

Amerika wird eure Flotten brauchen.

Ganz and're Sorgen drücken Großbritannien,

Als seine ehrvergessene Prinzessin[467]

Vor ihres Königes gerechtem Zorne

Und des Gesetzes Strafen zu beschützen.

Dann aber, denk' ich, hat eu'r stolzes England,

Das stets mit Recht und Biederkeit sich brüstet,

Mehr Königinnen zum Schaffot gesendet

Als jemals das vereinigte Europa.

KEITH.

Mir scheint, den gift'gen Brauch des Hasses sollte

Die Majestät der Königin verschmähen,

Verbrechen mit Verbrechen zu entschuld'gen.

JULIANE.

Wir werden Englands König bitten, Sir,

Uns einen bessern Diener herzusenden

Und einen minder kühnen, der die Sprache

Der Kön'ge kennt, und unterwürf'ger Ehrfurcht.

KEITH.

Ihr werdet mir vergönnen, Majestät!

In eurer Nähe zu verweilen, bis

Die Königin von Dänmark ihrer Haft

Entlassen ist; das ist der hohe Wille

Des gnädigen Monarchen, dem ich diene.

Doch wenn mein trübes Amt vollbracht, und wieder

Der thränenschwere Blick der holden Fürstin

Die freie Sonne grüßt, dann, Königin,

Soll mich ein eilig Schiff zur Heimath führen,

Wie mich die Sehnsucht längst von hinnen zieht;

Denn kein Gelüsten trag' ich, zu verweilen,[468]

Wo sich Verrath und Haß die Herrschaft theilen,

Wo man in Ketten morgen schlägt, die heut'

Allmächtig sich des Königs Gunst erfreut!

Wo in dem Glanz der reinen Majestät

Die Königin vor feilen Richtern steht,

Und das Gesetz gemißbraucht wird, den Schein

Des heil'gen Rechts der Frevelthat zu leih'n.


Ab.


Quelle:
Michael Beer: Sämmtliche Werke. Leipzig 1835, S. 465-469.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Lewald, Fanny

Jenny

Jenny

1843 gelingt Fanny Lewald mit einem der ersten Frauenromane in deutscher Sprache der literarische Durchbruch. Die autobiografisch inspirierte Titelfigur Jenny Meier entscheidet sich im Spannungsfeld zwischen Liebe und religiöser Orthodoxie zunächst gegen die Liebe, um später tragisch eines besseren belehrt zu werden.

220 Seiten, 11.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon