Eilfter Auftritt

[101] Wagner. Faust.


WAGNER. Faust der Glückliche war mir theuer, auch zu Faust dem sehr Unglücklichen neigt sich mein Herz.

FAUST ihn vor die Brust fassend. Wagner was willst Du hier? Fort, fort aus diesem Hause des Jammers!

WAGNER. Besinne Dich, Faust; warum willst Du Deinen Freund von Dir stoßen?

FAUST. Meinen Freund? Ich bitte Dich, geh! Willst Du eine Ausnahme von der Regel machen? Willst Du im Unglück aushalten? Das soll nicht seyn.

WAGNER. Bedarfst Du keines Freundes im Unglück?[101]

FAUST. Nein. Ich will alles verloren haben, alles! Nichts soll mir übrig bleiben! – Ein Freund im Unglück, o das ist etwas zu Großes, zu Erhabenes, das soll nicht auf der Rechnung stehen, die ich bei dem Ewigen habe! – Geh, Wagner!

WAGNER. Nein, ich gehe nicht.

FAUST. So will ich Dich verscheuchen! Vielleicht weißt Du noch nicht alles. Sieh, Wagner, ich bin ein Bettler; da liegt das Papier, das mich dazu macht. Es wird keine fette Mahlzeit mehr bei mir aufgetragen, es perlt kein Champagner mehr im Glase. – Gehst Du noch nicht?

WAGNER. O das ist schrecklich!

FAUST. Nein, Wagner, bei mir sind keine Rosen mehr zu brechen. Daß mein Sohn durch die Hand Rochus an Leib und Seele gebrandmarkt ist, weißt Du, aber ich habe Dir noch etwas Fürchterliches ins Ohr zu kreischen, das Du nicht weißt: meine Tochter ist von seinem Sohn entehrt, zur Mutter gemacht, und dann von ihm als eine schändliche Dirne verstoßen.

WAGNER. Gott, was hör' ich! –

FAUST O ich habe Dir viel Herzerfreuliches zu sagen. Sieh, in diesem Hause schleicht von nun an der Jammer, der Harm, die Verzweiflung wie eine Pest umher, und vergiftet alles, was[102] über die Schwelle tritt! Sieh, der Ewige hat alle Fäden zerrissen, mit welchen ich an ihn gebunden war.

WAGNER für sich. Allmächtiger Gott, mein Traum!

FAUST. Nein, sie sind noch nicht alle zerrissen, einer hält noch fest; Zieht ein Papier hervor. hier ist er! Paulina, Paulina! O dieser einzige kann alle andre wieder anknüpfen! Wähnst Du mich unglücklich, Wagner? Schau her! Paulina, hat mich zu sich beschieden; sie wird sich mit mir vermählen. – Dagegen schwindet aller Jammer, wie der Brand der Pechfackel vor dem Sonnenlichte. – Die Stunde ist da, ich muß hin zu ihr. Eilt fort.

WAGNER. Um Gotteswillen nicht in dieser Stimmung! Faust, Faust, höre! Eilt ihm nach.


Quelle:
Benkowitz, Karl Friedrich: Die Jubelfeier der Hölle, oder Faust der jüngere. Berlin 1801, S. 101-103.
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