IX

[169] Es war ein schöner, heiterer Frühlingstag des Aprils achtzehnhundert und zwölf, als der Graf Hohenthal in dem Pavillon seines Gartens saß und gedankenvoll hinaus schaute. Wolkenleer glänzte das reine Blau des Himmels, die sommerlich warme Sonne spielte mit blinkenden Lichtern in den Wogen des Rheins. Die Bäume wiegten theils noch schwellende Knospen, theils schon entfaltete Blüthen an den schlanken Zweigen, die Wohlgerüche der Kräuter und der frühen Blumen schwebten in der Luft. Die Aurikeln hatten ihre vielfarbigen Augen geöffnet und ergötzten duftlos durch ihre bescheidene Schönheit. Von den Höhen der Berge schauten die Ueberreste alter Schlösser, die Zeichen entschwundener Macht, herab, an die Vergänglichkeit aller irdischen Dinge ernsthaft mahnend, und die Lerche wirbelte ihren heitern Gesang tröstend aus der reinen Höhe herab. Doch es schien nicht, als ob der Graf den Reiz des erwachenden Frühlings beachtete. Die Stirn in die flache Hand gelehnt und den Arm auf die Lehne des Sessels gestützt, schaute er hinaus in das glänzende, tönende, blühende Leben, doch der wehmüthige Zug des Mundes, der ernste Blick der Augen zeigten, daß seine Seele sich mit trüben Gegenständen beschäftigte.

Die Gräfin war eingetreten, ohne von ihm bemerkt worden zu sein. Sie betrachtete ihren in tiefes Sinnen verlornen[169] Gemahl, und ein leiser Seufzer entrang sich der beklemmten Brust. Der Graf bemerkte sie und reichte ihr liebevoll die Hand. Theilnehmend forschte die Gräfin nach der Ursache seines tiefen, finstern Sinnes. Finster, antwortete der Graf, waren meine Gedanken wohl nicht, aber ich gestehe, ernst und wehmüthig. Ich muß es oft bedenken, fuhr er fort, wie wir beglückt sind vor Millionen Menschen, wie viele tausend Augen sich mit Neid auf uns richten mögen, und doch, wie wenige glückliche Stunden hat uns dieß Leben geboten? Schlägt nicht stündlich unser Herz in ängstigenden Sorgen? Haben wir nicht immer gehofft, nun solle das Leben beginnen, und werde in der nächsten Zukunft das wahre Glück eintreten, und mit diesem ängstlichen Hoffen auf die Zukunft ist in der Pein der Gegenwart das Leben verschwunden, und wir haben es in lauter Anstalten zum Leben verloren. Wenn dieß nun unser Loos ist, wie beklagenswerth muß das Geschick des Armen sein, der alle diese Pein duldet und noch durch heftige Anstrengungen in bitteren Sorgen die Mittel herbei schaffen muß, sich in der kläglichen Gegenwart zu erhalten.

Die Thränen träufelten über die Wangen der Gräfin, indem sie sagte: Das Geschick gewährt die guten Stunden wie ein Karger, den seine Gabe, nachdem er sie kaum gegeben, gereut, und der sie dem Armen mit rauher Hand sogleich[170] wieder entreißt. Auch ich, setzte sie hinzu, betrachte mit Wehmuth den Frühling, die erwachende Natur. Wie vieles ist dahin, das nicht mehr erwachen wird, und ich läugne nicht, der Gedanke an meinen Bruder erfüllt meine Seele mit Schmerz. Wie oft habe ich in der Verhärtung meines Herzens gefürchtet, er möchte wiederkehren und sein Anblick würde mich verletzen – und der war schon Staub, dessen Dasein ich fürchtete. Ach! wie gering ist die Tugend des Menschen! Können wir doch immer nur wahrhaft vergeben, was uns nicht tief und wahrhaft verletzte; aber die ewig schmerzlich blutenden Wunden unseres Herzens verzeihen wir nicht! Der gemeine Rachsüchtige verfolgt seinen Beleidiger und strebt ihm wo möglich noch mehr Böses zuzufügen, als er durch ihn erlitten hat. Wir verzeihen mit dem Munde, wir thun, wenn wir können, unsern Beleidigern Gutes und gefallen uns in der Großmuth unserer Gefühle, ohne wahrhaft zu vergeben; denn nie wird uns der, von dem wir uns tief verletzt fühlten, wieder das sein können, was er uns vor der Beleidigung war, und wir bereuen unsere Härte nur dann, wenn der Gegenstand derselben Staub ist.

Ich glaube, wir haben uns gegen diesen Bruder nichts vorzuwerfen, sagte der Graf mild tröstend. Wir haben ihm unsern Umgang versagt, den er unfehlbar zu nicht löblichen Zwecken würde mißbraucht haben, und unsere Liebe, die doch[171] der nur fordern kann, dessen Herz fähig ist, sie zu empfinden. Was mich aber heute besonders in trübes Sinnen versenkte, fuhr er fort, ist die Nachricht, die dieser Brief mir brachte, daß unser alter Freund, der Obrist Thalheim, sein Leben in den Armen seiner Kinder sanft geendigt hat. Er reichte nach diesen Worten der Gräfin den Brief. Sie las mit inniger Theilnahme, wie sanft der Greis zu der letzten Ruhe in den Armen seiner Kinder entschlummert war, und wie er ihr und dem Grafen seinen väterlichen Segen kurz vor dem Hinscheiden gesendet habe, und wie er Beiden seine dankbare Liebe versichern ließ, von der er die zuversichtliche Hoffnung ausgesprochen hatte, daß sie über das Grab hinüber reichen würde.

Möge unser Ende so sanft sein, sagte die Gräfin, indem sie, die Thränen trocknend, ihrem Gemahle das Blatt zurückreichte. Mögen wir einst, wie er, unser Leben in den Armen unserer Kinder beschließen. Der Graf wendete sich ab, um sein kummervolles Gesicht zu verbergen. Beide Gatten schwiegen; Keiner wollte die Sorgen aussprechen, die sein Herz zernagten, denn Keiner wollte den Kummer in der Brust des Andern erwecken. Seit den letzten Nachrichten von Evremont waren abermals Monate verflossen. Mehrere Gefechte in Spanien waren vorgefallen, und kein Wort seiner Hand hatte die ängstlichen Eltern über sein Geschick beruhigt,[172] und nun strömte die große französische Armee in furchtbaren Massen über den Rhein, einem Feinde entgegen, den in seinem eigenen Lande zu bekämpfen, den Franzosen selbst noch vor Kurzem ein abentheuerlich vermessenes Unternehmen gedünkt haben würde; und alle die Tausende, die vorüber zogen, ahneten nicht, wie sehnsüchtige Blicke oftmals den langen Reihen folgten. Niemand brachte Kunde von dem geliebten Sohne.

Das trübe Sinnen der bekümmerten Eltern wurde auf einen Augenblick durch das Rasseln eines Reisewagens unterbrochen, der eilig vorüber flog und ihren Blicken bald entzogen wurde durch eine Beugung, die die Straße hinter dem Garten des Grafen machte. Das vorige sorgenvolle Schweigen war wieder eingetreten, wurde aber bald von Neuem durch freudig rufende Stimmen unterbrochen. Der Graf und seine Gemahlin sahen zugleich auf und richteten den Blick auf einen Baumgang, der zu dem Pavillon führte, in dem sich Beide befanden. Eine junge Frau flog mit leichten Schritten durch diesen Baumgang; der Wind spielte mit dem zurückgeworfenen Schleier, so daß das leichte Gewebe in den Lüften flatterte. In der Ferne zeigten sich noch andere Personen, die sich mit langsamen Schritten näherten. Ehe noch der Graf oder die Gräfin eine Vermuthung über die Herbeieilende äußerten, lag diese schon mit schlagendem Herzen,[173] mit glühenden Wangen und seligen Thränen in den Armen der Gräfin. Emilie! stammelte diese in der Ueberraschung des Entzückens und sank aus Freude entkräftet auf einen Sessel, als die junge Frau sich aus ihren Armen riß, um den Grafen mit demselben zärtlichen Ungestüm zu umschlingen. Indeß hatten sich auch die übrigen Personen genähert und Emilie verließ schnell den Grafen, nahm aus den Armen der Wärterin ein schlafendes Kind und legte es in den Schooß der Gräfin, indeß sie selbst vor ihr nieder kniete. Mit bebenden Händen erhob die Gräfin das schöne, wie ein schlummernder Engel ruhende Kind und drückte zärtlich leise ihre Lippen auf den rosigen Mund, auf des Knäbleins unschuldige Stirn, indeß ihr unbewußt die heiligen Tropfen entzückender Rührung niederthauten. Der Graf entriß mit einer Bewegung ungestümer Liebe seiner Gemahlin das Kind, hob es in seinen Armen empor und überließ sich ohne Rückhalt dem Gefühle der höchsten Freude. Ach! wie so reich an seligen Genüssen dünkte in diesem Augenblick denen das Leben, die noch vor wenigen Minuten die dürftigen Freuden kurzer Stunden beklagten.

Das Kind war durch die heftigen Liebkosungen erwacht und erhob in nicht melodischen Tönen seine klagende Stimme. Zwei Personen drängten sich hinzu, um es aus den Armen des Grafen zu empfangen, die Wärterin und der alte[174] vor Freude zitternde Dübois. Dem Letztern gelang es, sich des Kindes zu bemächtigen, indem er zum ersten Male in seinem Leben alle Scheu und Ehrerbietung vor denen bei Seite setzte, die er seine Herrschaft nannte und von denen er wie ein Glied der Familie betrachtet wurde. Es ist mein Recht, sagte er, indem er die Wärterin wegdrängte; es ist der vierte Graf Evremont, dem ich dienen werde, und der dritte, den ich in meinen Armen halte. Er entfernte sich etwas mit dem Kinde, indem er Segen und Gebete über dasselbe sprach, und überließ es nur dann erst der Wärterin, als die immer stärker sich erhebenden Klagetöne desselben ihm die Nothwendigkeit weiblichen Beistandes bewiesen. Indeß war eine Frau zur Gräfin getreten, die, indem sie den Schleier zurückschlug, in Thränen lächelnd sagte: Seid Ihr denn im Glücke so selbstsüchtig geworden, daß Ihr außer Euch Niemanden bemerkt? Adele! rief die Gräfin und preßte die schwesterliche Freundin an ihre Brust.

Als der erste Sturm des Entzückens vorüber war, heftete die Gräfin einen ängstlichen Blick auf Emilie, indem sie halb leise fragte: Und Adolph? Er kömmt, jauchzte Emilie. Morgen zieht sein Regiment durch diese Gegend, morgen wird er hier sein!

Der Taumel der Freude legte sich endlich, und als man einige Stunden beisammen gewesen war, hatte man sich so[175] weit verständigt, daß die Eltern nun wußten, das Regiment des Sohnes sei ebenfalls in Bewegung nach Rußland, er habe Emilien die Bitte abgeschlagen, ihm in diese unwirthbaren Länder zu folgen, und bestimmt, daß sie den Ausgang des Kampfes bei seinen Eltern erwarten solle, und auch ihre liebevolle Tante habe sich an sie zu diesem Zwecke angeschlossen, weil sie hoffte, das Leid der neuen Trennung und die damit verknüpften Sorgen leichter mit den Freunden vereinigt zu ertragen.

Ein leichter Schatten trübte den hellen Glanz der Gegenwart bei dem Gedanken, daß Evremont dazu bestimmt war, an einem Kampf Antheil zu nehmen, den man sich nicht anders als höchst gefahrvoll denken konnte. Indeß die Gegenwart war zu schön, und sie trug mit ihrem Glück und ihrer Freude den Sieg davon über die bangen Sorgen für die Zukunft, die sich eindrängen wollten.

Der nächste Tag erschien und mit ihm, um das Maaß des Glücks zu füllen, Evremont. Wie ganz anders leuchtete dem Grafen der Frühling nun entgegen, dessen Pracht er am vorigen Morgen kaum beachtet hatte, als er am Arme des geliebten Sohnes unter seinen Blüthenbäumen wandelte. Mit väterlichem Stolz bemerkte er die Veränderung, die mit Evremont seit ihrer letzten Trennung vorgegangen war. Sein Körper hatte sich männlicher ausgebildet, die Stimme tönte[176] etwas tiefer aus der schön gewölbten Brust, die Augen waren befehlender geworden, die Wangen gebräunter und etwas magerer, indeß alle Anmuth der Jugend und die liebevollste Zärtlichkeit um den edel geformten Mund schwebte, dessen rothe Lippen im herzgewinnenden Lächeln die schönsten Zähne entblößten.

Zwei kurze Tage des Glücks waren den Freunden gegönnt. Nie hatte der Graf seine leidenschaftliche Zärtlichkeit für Evremont so ohne Rückhalt gezeigt, als in diesen beiden Tagen, und es war ein rührender Anblick, wie innig der junge Krieger die Liebe erwiederte und mit kindlicher Unterwürfigkeit vereinigte. Endlich führte der Morgen des dritten Tages den Schmerz der Trennung herbei. Der Graf, der sonst immer zur Fassung ermahnt hatte, war dieß Mal ohne Fassung. Er führte den Sohn in den Garten hinaus, und dort mit ihm allein, drückte er ihn lange und schmerzlich an die Brust. Mein Sohn, sagte er endlich mit vor Angst unterdrückter Stimme, mein theurer Sohn, ich fürchte, wir sehen uns nicht wieder.

Mein Vater, rief der Sohn erschreckt, Gort wird Sie uns erhalten; Ihr Alter ist noch nicht so weit vorgerückt, Sie sind gesund. O! um Gottes Willen, erwecken Sie mir solche Angst nicht; Sie sind ein Segen ihrer Umgebung, und der Himmel wird Sie zum Wohle der Menschen erhalten.[177]

Der Graf widersprach ihm nicht. Er wollte ihm nicht sagen, daß er an seinen Tod nicht gedacht hatte und daß ihn diese Vorstellung auch nicht mit solcher Angst erfüllen würde. Er lehnte schweigend die Stirn an des Sohnes Heldenbrust und überließ sich ohne Rückhalt seinem Schmerz, der sich in heißen Thränen ausströmte.

O mein Vater! sagte Evremont, indem er mit inniger Liebe den Grafen umschlang und sich dann vor ihm auf ein Knie senkte, geben Sie mir Ihren Segen auf den Pfad mit, den ich nun wandeln muß, denn ich fürchte, er wird rauh und dornenvoll sein. Der Graf legte seine Hand auf das Haupt des jungen Mannes, indeß seine betenden Lippen und sein nach oben gerichteter Blick den schönsten Segen des Himmels für dieß theure Haupt erflehten; dann küßte er mit langem Drucke Evremonts Stirn und riß den bis zu Thränen bewegten Krieger heftig empor. Laß uns wie Männer scheiden, sagte er dann entschlossen, und nicht mit unserm Jammer Deine Mutter tödten.

Als der Graf und Evremont zu der Familie zurückkehrten, wurde dem letztern gemeldet, daß Alles zum Aufbruch bereit sei. Die schmerzliche Trennung war nicht mehr zu verschieben. Mit tiefbewegter Seele zog Evremont an der Spitze seines Regimentes hinweg, und in Thränen aufgelöst blieb seine trostlose Familie zurück.[178]

Wie schwere, dunkle Wolken das Blau des Himmels bedecken und die leuchtende Sonne verhüllen, so lastet der Schmerz auf der Seele des Menschen; aber wenn die dunkeln Wolken ihre Wasser ergossen haben, wenn ein frischer Wind die Nebel zerstreut, dann freut sich die Erde von Neuem der goldnen Sonne und das reine Blau des Himmels erglänzt von Neuem. In Thränen löst der Mensch seinen Schmerz auf, nothwendige Thätigkeit zerstreut den Nebel des Kummers, und wir erstaunen oft selbst, daß unsere Schmerzen sich lindern und Hoffnung von Neuem uns tröstend entgegen lächeln kann, und wir müssen uns dann gestehen, wandelbar sind alle Gefühle der menschlichen Brust.

Diese Bemerkungen theilten sich einander die Glieder der Familie des Grafen mit, als der leidenschaftliche Schmerz der Trennung nach einigen Tagen schwieg und die Hoffnung leise tröstend in alle Herzen schlich.

Die Frauen beschäftigten sich fast ausschließend mit dem Kinde, und es wurde auf die Nahrung, Kleidung und Gesundheit des Kleinen eine Sorgfalt gewendet, die er gar nicht zu schätzen verstand. Das erste Aufdämmern von Gedanken, von Besinnung erregte in seinen Angehörigen Entzücken. Der Graf lächelte über dieß Treiben, und doch konnte man bemerken, daß er oft zu dem Kinde schlich und versuchte, ob es ihn noch nicht erkenne. Oft küßte er die dunkeln[179] Augen und die rosigen Lippen dieses kleinen Abdrucks seines Vaters und eilte, die Rührung zu verbergen, die ihn zu bewältigen drohte. Dübois versicherte, daß der kleine Graf ihn schon verstände; dieß sei auch natürlich, da er nur französisch mit ihm rede, und er zweifle gar nicht, daß dieß auch die erste Sprache sein würde, die der junge Herr sprechen würde.

Noch hatte die Familie die größten Leiden nicht erfahren, die der Schooß der dunkeln Zukunft für sie in sich hegte. Evremont erfüllte sein Wort. Er gab regelmäßig Nachricht und man folgte ihm in Gedanken über den Niemen. Nach jedem bei dem weiteren Vordringen bestandenen Gefechte stiegen die innigsten Dankgebete zum Himmel empor, denn glücklich hatte der junge Held sie alle bestanden und nicht einmal eine leichte Verwundung erschwerte ihm die Mühseligkeiten des Kampfes. In dieser Abwechslung von Freude, die jeder Brief erregte, und von Angst, wenn man bedachte, was alles vorgefallen sein könnte, seit er geschrieben, war der Sommer entschwunden, und der Herbst, so reizend in der Gegend, wo der Graf lebte, erhöhte die Beschwerden dort, wo sein Sohn kämpfte, für eine Sache, der der Vater nach seinen Ansichten keinen glücklichen Fortgang wünschen durfte, und während doch auch der Gedanke an das Mißlingen des überkühnen Unternehmens ihn des Sohnes wegen[180] mit Furcht erfüllen mußte. Es lastete also zwiefach drückend die Sorge, welche Wendung wohl dieser Krieg nehmen werde, auf seiner Seele. Blieben die Franzosen auch in diesem Kampf Sieger, so war auf lange Zeit jede Hoffnung zur Befreiung Deutschlands verschwunden, und wurden sie dort im hohen Norden vernichtet, welch Schicksal theilte dann sein Sohn?

Diese Gedanken, die dem Grafen immer wiederkehrten und die selbst der Anblick des heiteren, schönen, sich schnell entwickelnden Kindes nicht zerstreuen konnte, raubten ihm die milde, gleichmäßige Stimmung, die sonst in jedem Kummer ihn zur Stütze und zum Troste seiner Familie machte, und er war viel allein, um nicht durch seinen Trübsinn den Kummer der Andern zu erhöhen.

Jetzt erfuhr man durch die Zeitung, daß eine große, furchtbare Schlacht bei Borodino geschlagen war, worin sich die Franzosen Sieger nannten und in deren Folge Moskau in ihre Hände fallen mußte. Ein zwiefaches Entsetzen erregte diese Nachricht in dem Grafen. War dann auch Rußland verloren? Und was war in dieser entsetzlichen Schlacht aus Evremont geworden? Denn von ihm trafen keine Nachrichten ein.

Aber noch ein Mal sollte der Balsam des Trostes die geängstigten Herzen erquicken. Ein Courier, der nach Paris[181] eilte, ein Bekannter Evremonts, erfüllte sein dem Freunde gegebenes Versprechen. Er machte einen unbedeutenden Umweg und stieg einen Augenblick bei dem Grafen ab, um den bekümmerten Eltern ein Paket von der Hand des geliebten Sohnes zu übergeben und zu versichern, daß er ihn gesund verlassen habe, ob dieß gleich beinah ein Wunder zu nennen sei, weil er sich rücksichtslos allen Gefahren des furchtbarsten Kampfes ausgesetzt habe.

In Evremonts Briefen war der Eindruck nicht zu verkennen, den die neuesten Ereignisse auf seine Seele gemacht hatten. Sie waren ernst, und kein Strahl der jugendlichen Heiterkeit leuchtete darin, womit er sonst von überstandenen Gefahren sprach. Nach der Erwähnung des Kampfes bei Borodino sagte er: Ich habe viele Schlachten mitgefochten und habe den Tod in den Reihen der Krieger wüthen sehen, aber niemals bin ich Zeuge so entsetzlichen Blutvergießens gewesen, und ob wir gleich Sieger sind, so glaube ich doch, daß, wenn wir noch öfter ähnliche Schlachten erleben sollten, selbst das große Genie des Kaisers nicht hinreichen würde, um Mittel aufzufinden, bei so großen Opfern, wie solche Siege sie erfordern, nicht unterzugehen.

In mir, fuhr er fort, wurden während der Schlacht und nach dem Kampfe, außer der Theilnahme an dem allgemeinen Leiden, noch Empfindungen erregt, die einen so tiefen[182] Eindruck auf mein Gemüth gemacht haben, daß ich mich seitdem ernster fühle und daß es mir wenigstens jetzt noch scheint, als ob die Heiterkeit der Jugend dadurch auf immer in meiner Seele untergegangen sei. Der Kampf hatte schon einige Stunden gewährt, die feindlichen Kugeln streckten ganze Reihen nieder. Ein Regiment in der Nähe des meinigen war beinah vernichtet, als es den Befehl erhielt, sich mit meinen Truppen zu vereinigen und unter meiner Anführung weiter zu kämpfen. Der einzige übrig gebliebene Offizier führte mir den schwachen Rest seiner Mannschaft zu, und indem er sich mir näherte, um meine Befehle zu vernehmen, und ich, indem ich sie ihm geben wollte, ihn anblickte, erkannten wir uns beide und erblichen in demselben Augenblick, er vielleicht aus Schrecken, wie er mich erblickte, ich aus Abscheu und Entsetzen, denn es war Lamberti, der in Gemeinschaft mit seinen Brüdern mich hatte ermorden wollen, mit denen er mich wahrscheinlich in der Ueberzeugung verlassen hatte, daß ich wirklich todt sei, als Ihre Menschenliebe, mein theurer Vater, den schwach glimmenden Funken des Lebens in meiner Brust bewahrte, wie Sie mich, nachdem Jene entflohen, im Walde in Schlesien fanden. Wir starrten uns beide einige Augenblicke schweigend an. Endlich faßte ich mich und sagte ihm: Wir haben uns vielleicht über die Vergangenheit gegen einander zu erklären, doch ist dazu jetzt nicht der Augenblick;[183] Sie sind mir zugeordnet und wir bekämpfen heute in Eintracht den gemeinschaftlichen Feind. Er beugte sich ohne weitere Antwort und vernahm eben so stumm meine Befehle, die ich kaum noch Zeit zu ertheilen hatte, als unsere gemeinschaftlichen Regimenter zu einem neuen Angriff beordert wurden. Wir stürmten von Neuem auf die Feinde, und ich hatte Gelegenheit zu bemerken, wie dieser Lamberti mit Löwenkühnheit allen Gefahren Trotz bot, und ich mußte wenigstens den unbeugsamen Muth eines Menschen bewundern, den ich sonst alle Ursache hatte zu verabscheuen. Zuletzt in der Hitze des Gefechtes hatte ich ihn aus den Augen verloren und ich mußte ihn für todt oder verwundet halten, und konnte, da der Kampf bis zum Abend fortwüthete, nicht weiter an ihn denken. Endlich endigte die Nacht das mörderische Gefecht; die Russen zogen sich zurück und wir blieben Herren des blutigen Feldes. Nach einer kurzen Erholung, als kaum der Morgen dämmerte, führten mich Dienstgeschäfte nach der Gegend des Schlachtfeldes zurück. Meine entsetzten Augen suchten den gräßlichen Anblick zu vermeiden, ich bog mit meinen Begleitern etwas seitwärts, wir wollten ein kleines Gebüsch umreiten, als ein Ton unser Ohr traf, der uns alle zugleich erbeben machte. Es war ein menschliches Geheul; aber wenn das Wehklagen der Verwundeten, die nicht alle zugleich versorgt werden konnten, schon[184] herzzerreißend war, so drückte sich in diesem Tone eine so gräßliche Verzweiflung aus, daß sich die Haare unseres Hauptes empor sträubten. Nach kurzem Besinnen näherten wir uns dem Orte, woher die Töne kamen, und fanden im Gebüsch Lamberti so gräßlich verstümmelt, daß mein Herz erkranken würde, wenn ich es beschreiben wollte. Gott weiß, daß bei diesem entsetzlichen Anblick jedes andere Gefühl als das des Mitleids aus meiner Brust schwand. Ich näherte mich dem Unglücklichen, und wollte ihm Trost und Hülfe bringen. Mit wahnsinniger Verzweiflung blickte er mir in die Augen und rief: Kommst Du Dich daran zu weiden, daß ich verdammt bin? Ja wisse es, schon Einer ist zum Abgrunde der ewigen Qual hinunter gefahren, zur Strafe, daß wir Dir Dein armseliges Leben rauben wollten. Mein Bruder starb ohne Vergebung der Sünden und ist ewig verloren, und auch ich muß so schrecklich büßen. Unglücklicher, ich vergebe Dir von ganzem Herzen, sagte ich auf's Heftigste bewegt. Mir hilft Deine Vergebung nicht, rief er in höchster Verzweiflung, Du hast kein Recht mir meine Sünden zu vergeben; ich habe nicht meine Missethat gebeichtet, mir fehlt die Absolution des Priesters. Meine Kraft strömt aus allen meinen Wunden, und der Trost der Kirche lindert nicht meine Qual. Ich athme das Leben aus und die Seele fährt zum Abgrunde hernieder![185]

Ich fühlte wohl, daß es vergeblich sein würde, ihm in seinen letzten Augenblicken andere Begriffe von der Gnade Gottes beibringen zu wollen, als die ihn durch sein ruchloses Leben begleitet hatten. Wie die meisten Italiener war er fest überzeugt, daß er ohne Vergebung der Sünden durch den Mund eines Priesters ewig verloren sei. Ich erinnerte mich, daß ich einen polnischen Geistlichen bemerkt hatte, der französisch redete und die fromme Pflicht ausübte, den Sterbenden Trost zuzusprechen. Ich bat den mit Verzweiflung Ringenden sein Gemüth zu beruhigen, weil ich mich bemühen wolle, ihm geistlichen Trost zu verschaffen, und ließ einige meiner Begleiter bei ihm, denn sein Zustand war so schrecklich, daß ihn Niemand aufheben, ja daß man ihn kaum berühren konnte, und er muß eine ungewöhnliche Lebenskraft besessen haben, daß er nicht schon geendet hatte, ehe wir ihn fanden. Ich war glücklich genug den Geistlichen nicht sehr weit von dem Orte zu treffen, wo Lamberti lag, und ich führte ihn von einem Todten hinweg, dessen letzte Augenblicke er erleichtert hatte, zu einem Sterbenden, dessen Seele schwarze Thaten belasteten. Als Lamberti den Priester in meiner Gesellschaft erblickte, milderte sich der Ausdruck der Verzweiflung in seinen Zügen; der fromme Vater aber schauderte, als er den verstümmelten Krieger erblickte. Ich entfernte mich mit meinen Begleitern so weit, daß Lamberti,[186] ohne von uns gehört zu werden, seine Beichte ablegen konnte, die der Geistliche selbst abkürzte, denn es war deutlich, daß sein Ende nahe war. Ich sah aus der Ferne, wie er dem Sterbenden Absolution und Segen ertheilte, worauf er sich dem Orte näherte, wo ich ihn erwartete. Thränen glänzten in den Augen des Geistlichen, als er mir sagte: Kommen Sie und sprechen Sie es jetzt aus, daß Sie dem Unglücklichen den beabsichtigten Mord vergeben, damit seine Seele in Frieden scheiden möge. Ich zögerte nicht und wurde von Wehmuth überwältigt, als ich in den nun ruhigen Zügen des bleichen Gesichtes den Ausdruck wiedererkannte, der früher mein Herz zur Liebe bewegt hatte. Alle niederen Leidenschaften waren nun geschwunden. Vergib mir jetzt, Adolph, sagte er mit demselben weichen Tone der Stimme, der früher mein Herz traf, und füge Deine Verzeihung der Vergebung der Sünden hinzu, womit Christi Stellvertreter mein Herz erleichtert hat. Du bist gesund und glücklich, und sieh, ich bin hart gestraft für den versuchten Mord. Die letzten Worte sprach er schon mit schwindender, dahinsterbender Stimme. Antonio! rief ich mit dem wahrsten Gefühl, ich vergebe Dir von ganzem Herzen. O! möchtest Du leben, daß ich Dich davon überzeugen könnte. Ein mattes Lächeln schwebte um den blassen Mund. Er versuchte es vergeblich die Hand zu mir zu erheben, ein dumpfes Röcheln tönte aus der schwer athmenden[187] Brust, ein leichtes Zucken überflog das Gesicht, und das Dasein des Unglücklichen war geendigt. Als er gestorben war, ließ ich den Leichnam aufheben, um ihn zu beerdigen, wobei der Priester, so weit es sich auf der Stelle thun ließ, alle frommen Gebräuche beobachtete. Nachdem auch diese Pflicht erfüllt war, fragte ich den Geistlichen, ob ihm Lamberti nicht die Ursache vertraut hätte, weßhalb er und seine Brüder mir nach dem Leben getrachtet hätten, zu einer Zeit, wo sie mir die innigste Freundschaft bewiesen. Der gute Vater sagte mir, daß er alle näheren Erörterungen vermieden habe, um den Sterbenden noch mit dem Troste der Kirche stärken zu können, weil er es erkannt habe, daß das Leben des Sünders nur noch wenige Minuten währen konnte. Ich mußte mich also beruhigen und werde es nun wahrscheinlich niemals erfahren, was Menschen, die mir so oft die zärtlichste Freundschaft schwuren, bestimmen konnte, so grausam und treulos gegen mich zu verfahren. Es ist gewiß, daß der Anblick eines Schlachtfeldes, wo der Tod eben so furchtbar gewüthet hat, uns das Leben des Einzelnen nicht so bedeutend erscheinen läßt, und wir würden uns selbst als engherzig und kleinlich verachten müssen, wenn in solchen Augenblicken Beleidigungen, die wir erfahren haben, Verrath, der an uns geübt wurde, uns so wichtig erschiene, wie in friedlichen Stunden in unsern ruhigen Häusern; und so war es[188] auch ohne Zweifel meine wahrste Empfindung, die die aufrichtigste Versöhnung mit dem sterbenden Lamberti aussprach, und doch fühle ich nun bestimmt, da ich ruhiger geworden bin und der Anblick seines Leidens mich nur noch in der Erinnerung bewegt, daß ich ihm mit dem besten Willen nicht Wort halten könnte und alles, was ich, lebte er noch, für ihn thun möchte, würde doch gewissermaßen Heuchelei sein, denn das Zutrauen, die Liebe und Achtung gegen ihn sind auf ewig in meiner Brust vernichtet, so daß auch die wahrste Reue sie nicht wieder in mir zu wecken vermöchte. Diese Betrachtungen sind niederschlagend, denn sie belehren mich, daß die edelsten Empfindungen eben so flüchtig durch unsere Brust ziehen, wie die engherzigen, selbstsüchtigen, und daß der Mensch einer großmüthigen Erhebung über alle seine Schwächen nur in einzelnen Augenblicken fähig ist.

Noch viele ähnliche Betrachtungen enthielten Evremonts Briefe, die von einer ernsten Stimmung seiner Seele zeugten, und die Worte der Liebe, die er sonst voll freudiger Hoffnung aussprach, klangen dieß Mal wehmüthig, so daß dieses Schreiben nach der ersten Freude die Familie des Grafen in eine trübe Stimmung versetzte, die in demselben Maße zunahm, als sich die Zeit ausdehnte, in der sie ohne alle Nachricht blieben. Moskau war in Napoleons Hände gefallen, ohne daß eine Sylbe von Evremont seine Freunde über[189] sein ferneres Schicksal beruhigt hätte. Eine drückende Schwüle lag auf allen Gemüthern, während Napoleon in der alten Hauptstadt Rußlands weilte. Endlich ward ein Rückzug angetreten, den so schauderhaftes Elend begleitete, daß die Herzen derer erbebten, die die unermeßlichen Leiden in der Ferne vernahmen, durch die ein so großes Heer vernichtet wurde.

Jetzt erfuhr die Gräfin, daß es noch neue Qualen für sie gab, deren furchtbaren Schmerz sie in ihrem leidenschweren Leben nicht kennen gelernt hatte. Sie wagte nicht zu hoffen, daß der schrecklichste Tod, der so viele Tausende dahin gerafft, ein ihr so theures Haupt verschont haben würde. Die Angst preßte ihr Herz zusammen, und dennoch wagte sie nicht die Qual auszusprechen, die sie erlitt, denn es schien ihrer peinlich gereizten Phantasie, sie könne den Sohn dadurch tödten, wenn sie nur die Möglichkeit seines Todes ausspräche. Zuweilen zeigten ihn ihr fieberhafte Träume lebend, und ihre Seele bebte schaudernd vor dem Anblick zurück, den ihr solche Träume boten. Das bleiche, starre Antlitz des geliebten Sohnes blickte dann mit Todesschmerz auf die verzweifelnde Mutter, und die von dem Elend verwüstete Gestalt erschien ihr in einer schmählichen Erniedrigung, die dem Zustande des jungen Wertheim und seines Freundes glich, wie ihn der Graf beschrieben hatte, als sie dem Tode nahe von dem Grafen auf seinen heimischen Bergen[190] gefunden wurden. Auch der Graf versank in düstre Schwermuth. Alle Versuche, Nachrichten über Evremont einzuziehen, waren vergeblich gewesen, und die Furcht, daß das blühende Leben des geliebten Sohnes unter dem rauhen Himmel Rußlands erloschen sei, wurde beinah Gewißheit in seiner Seele. Aber auch er schwieg über seinen Gram, er wollte nicht den letzten Funken der Hoffnung in dem Herzen seiner Gattin tödten. Doch oftmals verschleierten Thränen sein Auge, die er nicht unterdrücken konnte, wenn er den kleinen Adalbert, Evremonts Sohn, auf seinen Knieen hielt, und aus dem kleinen Gesicht das dunkle Auge des Vaters ihn sinnig anblickte, und rosenrothe Lippen in Evremonts herzgewinnendem Lächeln die milchweißen Zähnchen entblößten.

So tief bekümmert Emilie auch war, so genoß sie dennoch das schöne Vorrecht der Jugend, lebendig zu hoffen in jedem Drangsal des Lebens. Oft zwar benetzte sie mit heißströmenden Thränen das liebliche Kind, das dann mit ihr zu weinen begann, ohne ihren Kummer begreifen zu können; aber öfter noch sprach sie dem Kleinen vor, wie schön Alles umher sein würde, wenn der Vater erst zurück käme, und der Kleine lallte lächelnd, an ihren Busen gelehnt, den Namen Vater und erfüllte das Herz der Mutter mit wehmüthigem Entzücken.

Die schwesterliche Freundin der Gräfin, die zärtliche[191] Adele, war mit ihr vereinigt geblieben, und sie war die einzige, die standhaft an Evremonts Erhaltung glaubte und durch die Zuversicht, mit der sie seine Rückkunft erwartete, oft dazu beitrug, den Muth der Andern wieder zu beleben, wenn er ganz ersterben wollte.

So war ein trüber Winter vergangen, und die Wendung, die die öffentlichen Angelegenheiten genommen hatten, lenkte wenigstens zuweilen die Gedanken des Grafen von seinem persönlichen Kummer ab. Preußens König rief die waffenfähige Jugend auf, sich um ihn zu versammeln, und wie ein elektrischer Schlag traf dasselbe Gefühl alle Herzen. Nun sollte wirkend in's Leben treten, was lange vorbereitet war und der Graf erfuhr, daß auch sein Vetter, der Graf Robert, die bewaffneten und wohlgeübten jungen Landleute seinem Könige zugeführt habe, und daß ihn seine Freunde, Wertheim und Lehndorf, auf diesem rühmlichen Zuge begleiteten.

So eifrig die Deutschen sich gegen Napoleon zu vereinigen strebten, eben so große Thätigkeit entwickelte aber auch er, und mit dem neuen Frühlinge strömte ein neues französisches Heer über den Rhein, und harte Kämpfe entflammten stets von Neuem den Muth der Krieger, und mit angstvoller Spannung erwarteten die Völker die Entscheidung ihres Geschicks.[192]

Quelle:
Sophie Bernhardi: Evremont. Theil 3, Breslau 1836, S. 169-193.
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