Sterbelied

[314] (»Ich sing mein Lied mir nun zum letzten Schlaf« Aus »Tobias Wagenknecht«)


Komm, Liebe, Glück; ich warte: Komm, o Ruhe!

Komm, Frau-und-Kind, gefühlt und nie gesehn!

Leg deine Hand auf meine Stirn und tue

Mir meine Augen zu mit deiner Locken Wehn!


Gib mir die Hand, du innig Heitre, Milde!

Ich will mit dir ins Land der Schatten gehn,

Vergehn in dir: vergehn in deinem Bilde.

Komm, Kind-und-Frau, gefühlt und nie gesehn.


All meine Schuld versinkt ins Meer der Ruhe.

Komm, Kind-und-Frau, gefühlt und nie gesehn:

Küß mich ein erstes: letztes Mal und tue

Mir deine Arme auf! – Es ist geschehn.

Quelle:
Otto Julius Bierbaum: Gesammelte Werke. Band 1: Gedichte, München 1921, S. 314.
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