Die Römerschanze

[264] A la bonne heure! Strategischen Blick

Hatten die Römer und viel Geschick,

Muß ich sagen, im Schanzenbauen.

Hoch steh ich oben in eifrigem Schauen

Durch den schönen Septembertag,

Ob sie nicht endlich kommen mag.

Unten der See liegt unbewegt,

Oben im Walde kein Wipfel sich regt,

Ringsum auf Feldern mit Sensen und Sicheln

Wimmelts von Hansen und Franzen und Micheln;

Feierlich brummt es vom Klosterturm sechse,

Hurra, da kommt meine braune Hexe!

»Schneller, schneller, ich warte dein!«

Holla, da rennt sie querfeldein,

Fliegt an die Brust mir mit einem Sprunge,

Stürmisch heb ich sie hoch im Schwunge,

Kuß und Umarmung, eins, zwei drei,

Und im Grase liegen wir zwei,

Rollen die Böschung hinunter weich,

Rollen direkt ins Himmelreich.

Keiner stört uns. Schanzenumschützt

Haben wir römische Kriegskunst genützt.

Was vor vielen hundert Jahren

Schutz gewesen den Legionaren

Gegen Attaque und Ueberfall

Ward uns zum bergenden Liebeswall.[265]

Lieb ich auch sonst nicht die harte Stadt,

Die eine Wölfin im Wappen hat,

Heute sing ich ihr Preis und Lob,

Daß sie die schützende Schanze uns hob,

Die uns ein Liebesbette bot

Bis ins erlöschende Abendrot.


Quelle:
Otto Julius Bierbaum: Irrgarten der Liebe. Berlin/Leipzig 1901, S. 264-266.
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Der Neubestellte Irrgarten Der Liebe: Um Etliche Gaenge Und Lauben Vermehrt, Verliebte Launenhafte, Moralische Und Andere Lieder, Gedichte U. Sprueche . Bis 1905. 1 Bis 6 Tausend. (German Edition)