Zweite Scene

[30] Vorige. Schneider Martin.


ELSE. Still, Plaudertasche, da kommt wahrlich der Martin im Bratenrock, prächtig anzusehen.

SUSE. Ja wohl, die rothe Nase leuchtet auf zehn Schritte durch's Gebüsch.[30]

ELSE. Der Martin ist ein böser Mensch, ich mag nichts mit ihm zu schaffen haben. Sieh Du zu, wie Du ihn los wirst. Komm Friedel, geh mit. Mit Friedel in's Haus ab.

SUSE. Ja, die Base hat gut reden – da laufe ich lieber auch davon. Sie will ab.

MARTIN. Holla he! Jungfer Suse! Dageblieben! Da wären wir.

SUSE. Das sehe ich, leider Gott, daß Ihr da seid.

MARTIN ohne sie zu beachten, setzt sich im Vordergrund breit nieder. Kein kleiner Weg aus dem Ort in's Thal daher! Uff! Wischt sich ab. Das ist warm, könnte gleich zerfließen vor Hitze, wenn sichs nur für einen ehrbaren Bräutigam schickte. – Na so weit wären wir mit Gottes Hilfe! – Also Jungfer Suse, hört einmal. Ihr seid ein niedliches Ding bis auf die allzukleine Nase, welcher Mangel jedoch, wie ich vernehme, an Eurer Zunge reichlich ersetzt sein soll.

SUSE. Wäre möglich!

MARTIN. Da mich also die Langeweile gewaltig plagt, und ich gerne so ein plauderhaftes Wesen um mich leiden mag, mit dem ich bald tändeln und scherzen, bald zanken und keifen kann, so habe ich Euch, der ärmsten Dirne im Dorfe, die Ehre zugedacht, Euch zu meiner ehelichen Sponsin, zur Frau Schneidermeisterin in aller Form Rechtens zu erheben – wasmaßen ich allhier den Verlobungsring an Euren Finger und den Strauß in Euer Mieder stecke.

SUSE bei Seite. Warte! Laut. Ach, lieber Meister, die Base hat mir[31] schon alles gesagt, ich weiß gar nicht, was ich nur anfangen soll vor Glück und Freude.

MARTIN schmunzelnd. Schau, schau, wie die Wetterhexe zierlich spricht.

SUSE. Aber Meister! ihr seid ja ganz roth. – Ist's wahr, daß Ihr so vollblütig seid?

MARTIN. Ja, mein Täubchen, 's ist so, gefallen Dir die rothen Backen?

SUSE. O sehr! Seht, man sagt' mir immer, daß vollblütige Leute zum Zorne geneigt wären.

MARTIN. 'S ist wahr! Suschen, 's ist wahr, Du mußt in unserer Ehe sehr auf der Hut sein; denn ich kann mich gleich ärgern, daß mich der Schlag treffen könnte.

SUSE springt umher und klatscht freudig in die Hände. Ach, das ist schön, das ist prächtig!

MARTIN verwundert. Was ist schön?

SUSE. Daß Ihr Euch so ärgern könnt. Ihr werdet mir doch gleich im Ehecontrakt verschreiben, was ich bekomme, wenn Ihr sterbt?

MARTIN. Nun freilich: Tausend Silbergulden. Aber reden wir von was Anderem.

SUSE ausgelassen. O, das ist prächtig! Das ist prächtig! Mit tausend Gulden kaufe ich dann eine Schmiede. Still stehend. Wann ist denn die Hochzeit? Ich kann's gar nicht erwarten.[32]

MARTIN verblüfft. Aber was schwatzt denn die Suse? Worüber freut sie sich so? Und was spricht sie von der Schmiede? Ich bin ja kein Schmidt, sondern ein Schneider.

SUSE seelenvergnügt. Ach, lieber Meister, ich bin ein armes Ding, und der Hanns, der Lehrbursche, ist noch ärmer – Da danke ich dem Himmel, der mir das Glück bescheert, Euch zum Manne zu bekommen; denn seht, mir ist's eigentlich nur um Euer Geld zu thun; ich will Euch täglich so viel ärgern, als ich nur immer kann. Fällt ihm um den Hals. Dann lieber Meister, dann seid Ihr so gut und laßt Euch den Schlag treffen, und ich heirathe meinen Hanns.

MARTIN wie versteinert. So!? Ei nun, die Jungfer hat gute Pläne! Werde Ihr den Spaß schon vertreiben; wird mich Ihr zu Gefallen just der Schlag nicht treffen. Sie ist mir eine saubere Frucht! Schau! schau! Sieh, sieh! Mich todtärgern, mein Geld einsacken, und dann den Lehrburschen heirathen! Ne, da suche Sie sich einen andern Narren, mit mir ist's nichts. Ich sehe schon, die rothesten Aepfel sind wurmstichig, da nehme ich lieber die bucklichte Bäckerliesel, die wird mich nicht todt ärgern, denn sie kann mit der Sprache nicht fort, weil die Zunge zu kurz gerathen.

SUSE. Wie, Meister, Ihr wollt mich sitzen lassen? Und ich hab' so sicher auf die tausend Gulden gerechnet.

MARTIN. Teufelsbraten! Satanskraut! Diesmal hast Du Dich verrechnet. Nein daraus wird nichts. Wenn man mir das Mädel auf dem Bräsentirteller bringt, ich mag sie nicht. Hungere Sie mit Ihrem Lehrburschen nach Gefallen, Jungfer Betteldirne, aber die Gedanken auf den Meister Martin lasse Sie[33] sich vergehen, für Sie ist der reichste Mann im Orte nicht gewachsen, aber Sie wird's noch bereuen, – bereuen sag' ich Ihr! Läuft zornig ab.


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Gesammelte dramatische Werke, Band 9, Leipzig 1863, S. 30-34.
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