Sechste Scene

[65] Suse. Rudolph.


RUDOLPH bleich und trübe, einen Hut auf, den er abnimmt und auf den Tisch wirft, sobald er eintritt. Guten Tag, Suse! – Was ist Dir? Er geht hin und nimmt ihr die Hand von den Augen. In Thränen, am frühen Morgen? Mit einem schweren Seufzer. Da ist wohl Else schon wach?

SUSE schluchzend. Ja wohl, Vetter! Ihr Morgengruß war, daß ich den häßlichen Martin heirathen müsse, oder in die weite Welt gehen könnte.

RUDOLPH. Ja, ja, so etwas sah ich lange kommen. Arme Waise, ich werde Dich nicht verlassen! Thue, was Du willst, Du bist glücklich, denn Du kannst aus diesem Hause ziehen, das Ruhe und Glück auf ewig floh.[65]

SUSE. So? – meint Ihr, damit sei mir gedient, Vetter? Seit Jahren habt Ihr Vaterstelle an mir vertreten, Ihr seid unglücklich, und ich soll Euch verlassen? Was soll aus dem armen Friedel werden, wenn ich nicht für ihn sorge – und – der Hanns ist ja doch auch auf dem Hammer. Nein, Vetter, ich kann wahrhaftig nicht fort.

RUDOLPH. Großer Gott! Dahin ist's gekommen, daß ohne dies wackere Mädchen mein Haus verödet ist! – O Else! einst meine Seligkeit – was ist aus Dir geworden?

SUSE. Ja, das weiß der Himmel! Aber Vetter, nehmt mir's nicht übel – Eins wie das Andere. Auch Ihr seid nicht, wie Ihr solltet, die Reise nach der Erbschaft hat Euch ganz verwandelt.

RUDOLPH. Nein Suschen! Die Reise nicht – Else hat mich verwandelt. Mit frohem, seligem Herzen flog ich am Tage meiner Rückkehr in ihre Arme, sie umschlang mich mit heißer Inbrunst und rief: »Endlich, Rudolph, endlich!« – Aber es war die liebe Stimme meiner Else nicht mehr, ich hielt sie umschlungen, sie war's und doch mir so ganz fremd geworden! Als es Abend wurde, als die Gebetglocke aus dem Thale zu uns herüberklang, faltete ich die Hände und dankte dem Herrn, daß er mich glücklich wieder zurückgeführt in den Kreis der Meinen. Else betete nicht mit mir, sie saß schweigend an meiner Seite und als mein Blick den ihren traf, da war mir plötzlich – aber Suse, verrathe nicht, was Du jetzt hörst – mir war's, als schauten aus Elsens liebem, freundlichem Gesicht mich – Gertruds wilde Feueraugen tückisch an. Der Blick ging mir durch Mark und Bein. Von diesem Augenblicke verschloß sich ihr mein Herz. Als die Nacht einbrach, ergriff mich ein unbeschreibliches Gefühl,[66] unheimlich war mir das alte trauliche Haus, ich floh wie vor Gespenstern in den Wald hinaus und – so blieb es! Seit ich heimgekehrt, hat sich nie Ein Dach ob unserem Schlaf gewölbt. Ich kämpfe mit dem eignen Herzen – sobald der Tag erwacht, zieht mich die einst geliebte Gestalt in ihre Nähe. Doch klingt mir ihr Ton oder funkelt mir ihr Blick entgegen, dann faßt mich kaltes Grausen und ich möchte fliehen, wär's auch in mein frühes Grab.

SUSE leise und geheimnißvoll. Vetter, was Ihr da sagt, kommt mir sehr seltsam vor, und nun erst, da Ihr so was zu sehen geglaubt, Ihr, so ein vernünftiger Mann, darf die Suse auch sagen, was sie gesehen. Aber Vetter, verrathet mich nicht; denn seit einiger Zeit fürchte ich die Base so sehr als den Gottseibeiuns! In der Nacht, ehe Ihr aus Linz kamt, war's gar unheimlich hier im Hause. Ich hörte Frau Elsen noch spät sprechen, und da guckte ich – aber nehmt's nicht übel, Vetter, 's ist so meine Art, wenn ich gerne etwas aus dem Grunde wissen will, ja ich guckte dort in meiner Kammer ein Bischen durch's Schlüsselloch, und sah, wie die Base dort in der Thür lehnte, und in die Nacht hinaussprach, und ich erkannte die Stimme der unheimlichen Gertrud, von der die Leute immer munkelten, daß sie mit Hexen und Geistern verkehre. Auf einmal fiel mir ein, daß es Walpurgisnacht sei, und ich fing an, mich so zu fürchten, daß ich zähnklappernd in's Bett sprang und die Decke über die Ohren zog. Nach ein Paar Stunden hörte ich ein Gepolter, ich sprang wieder zur Thür, da sah ich – aber Vetter – lacht mich nicht aus – ich sah durch's Schlüsselloch, wie die Base Deutet auf den allgemeinen Eingang. dort herein huschte, als hätte sie Flügel. Sie trug eine Pflanze im Arm, eine Lampe in der Hand, und ging damit nach der Kammer, das Licht fiel auf ihr Gesicht und es kam mir auf einmal vor, als sähe ich Gertruds bleiche Züge und ihre Feueraugen. Das Licht mußte mich so seltsam getäuscht haben; denn als sie wieder herauskam,[67] war es die Else frisch und blühend, wie die Base immer ist. Seit dieser Nacht ist sie so verwandelt und da – aber seid nicht böse, Vetter, da meine ich denn immer, die Base ist unter die Hexen gegangen.

RUDOLPH aus tiefen Gedanken auffahrend. Suse, was Du mir gesagt, klingt wunderbar – ja, fürchterlich! – Wenn Dich auch Furcht und Schrecken getäuscht haben mögen, so viel ist gewiß, Else ist nicht mehr, die sie war. – Ich mag den unheimlichen Grund davon nicht erforschen. Der Himmel wolle mir's vergeben, aber ich muß mich bezwingen, sie nicht zu hassen.

SUSE. Ach, wie hat Alles sich doch verwandelt!


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Gesammelte dramatische Werke, Band 9, Leipzig 1863, S. 65-68.
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