Siebente Scene

[68] Vorige. Friedel.


FRIEDEL. Ach Vater! Vater! Bist Du da?

RUDOLPH hebt ihn auf.

FRIEDEL schlingt beide Arme um seinen Nacken. Wie froh bin ich, wenn ich Dich habe!

RUDOLPH. Mein theurer Friedel! Hast Du mich so lieb?

FRIEDEL. Ach ja, Vater! Du liebst mich ja auch. Du und Suse!

RUDOLPH setzt ihn nieder. Nun Friedel, und sonst Niemand?

FRIEDEL langsam und gedehnt. O ja, die Mutter liebt mich auch. Er zieht Susen an der Schürze[68] bei Seite. Lieb' Suschen, gieb mir doch ein Stücklein Brod, sag es aber dem Vater nicht, daß der arme Friedel so sehr hungert. Gestern gab mir die Mutter nichts zu essen.

RUDOLPH schleicht sich hinzu, ohne daß Friedel ihn sieht.

SUSE kauert sich zu ihm an den Boden. Wie, Friedel, das ist ja unmöglich.

FRIEDEL legt die Hand auf die Brust. Gewiß, Suschen, Du kannst's glauben. Ich weinte gestern so sehr und sagte: »Mutterchen, kommst mir gar nicht mehr vor, als wenn Du dasselbe gute Mutterchen wärst. – Sei wieder wie sonst, da hatten wir Dich alle so lieb!« Da schlug sie mich, und warf mich zur Erde, und gab mir kein Abendbrod. Ach Suse, mir ist wohl recht weinerlich zu Muthe, aber ich darf nicht, sonst sieht es der Vater, dann wird sie wieder böse.

RUDOLPH reißt das Kind an seine Brust. Großer Gott! Das arme, liebe Kind mißhandelt die Rabenmutter! Komm Friedel, ich will Dich schützen, ich will Dich ihren Händen entreißen. Komm, mein Kind.

FRIEDEL. Willst mich forttragen, Vater? O thu's nicht, laß mich hier, 's ist ja doch mein Mutterchen lieb, und singt sie mich auch nicht mehr wie sonst in den Schlaf, so erscheint sie mir doch wie sonst im Traum, und dann hat sie mich so lieb – so lieb – Bleib da, Vater!


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Gesammelte dramatische Werke, Band 9, Leipzig 1863, S. 68-69.
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