Achte Scene

[69] Gertrud-Else. Vorige.


GERTRUD-ELSE. Guten Morgen, Rudolph.[69]

RUDOLPH bemerkt sie nicht.

GERTRUD-ELSE streckt ihre Hand nach ihm aus. Rudolph!

FRIEDEL ängstlich. Vater, die Mutter!

RUDOLPH auffahrend. Ja so, guten Tag! Geh Suse, bringe den Friedel zum Hammer hinüber.

SUSE. Gleich, Vetter!

FRIEDEL froh. Ja, Suse, zum Hammer! Komm! komm! Mit Suse ab.

RUDOLPH ihm nachsehend. Liebes Kind!

GERTRUD-ELSE schmerzlich. Du liebst Alles, was Dich umgiebt, nur mich nicht.

RUDOLPH. Die Herzensstimme läßt sich nicht bezwingen.

GERTRUD-ELSE. So sprachst Du einst, aber in anderem Sinne!

RUDOLPH. Ich weiß, worauf Du zielst, Else! Du denkst an Gertrud, die mich mit ihrer Liebesgluth verfolgte, und die ich von mir stieß, weil meine Treue Dein war; doch damals warst Du liebenswerth, nun hast Du Dich verwandelt, Dein Herz ist dem meinen fremd geworden.

GERTRUD-ELSE schmerzlich. Rudolph! – Trage ich die Schuld? Habe ich jemals aufgehört, Dich zu lieben?

RUDOLPH weicher. Nein Else, das glaube ich nicht, und dennoch. –[70] Laß uns davon schweigen – sprich mir nicht von den alten Zeiten.

GERTRUD-ELSE ausbrechend. Ich muß, Rudolph, ich muß! So kann's nicht bleiben, es muß anders werden, – endlich muß es klar sein zwischen uns. Seit Du von Linz zurück bist, gab's nur einen Augenblick, wo Liebe mir aus Deinen Augen strahlte, es war der erste Augenblick des Wiedersehens. Seitdem bin ich, die Hausfrau, Dir eine Fremde, mein Anblick verscheucht Dich aus Deinem Eigenthum, Du fliehst die Mauern des eignen Hauses, Du liebst mich nicht! Rudolph, seit ich Dich kenne, hab' ich Dich geliebt mit gränzenloser Liebe. Unsägliches hab' ich um Dich gelitten, tausend Thränen um Dich geweint. Dumpf. Du weißt nicht Rudolph, was ich Dir geopfert – ich habe nichts – nichts im weiten Reich der Dinge, als Dich, auf Dich bin ich gewiesen mit allen Hoffnungen, Freuden, ja, meine Seligkeit, sie ruht in Dir. Ohne Deine Liebe ist mein Dasein eine ewige Qual, ein langer Schmerz, der nagend mein Lebensmark zerstört. Rudolph, verlaß mich nicht, ich kann nicht leben ohne Dich! Sinkt an ihm nieder.

RUDOLPH hebt sie empor und preßt sie an seine Brust. Else, Du zerreißest mir das Herz! Habe ich je aufgehört, Dich zu lieben? Ist es meine Schuld, daß, während Du an meiner Seite stehst, eine unbegreifliche Sehnsucht meine Seele hinauszieht, hinaus –

GERTRUD-ELSE außer sich. Zu ihr?!

RUDOLPH. Zu wem?

GERTRUD-ELSE plötzlich gefaßt. Zu einer Andern, Verräther! Fremde Liebe fesselt Dich, sonst könntest Du unmöglich ein Herz wie das meine, eine Treue, wie die meine, kalt von Dir stoßen! Rudolph, ich[71] habe das Letzte an Dir versucht, Du bist ein Elender, der meine Verachtung verdient, nicht meine Liebe. Mann! noch kennst Du mich nicht; so unbegränzt ich Dich bis jetzt geliebt, will ich Dich hassen, und kannst Du mein Dasein nicht beglücken, so steht es in meiner Macht, das Deine zu vergiften, und wahrlich, diese Macht will ich benützen.

RUDOLPH sieht sie starr an. Weib –! Else –! Bist Du's noch, die einst in meinen Armen lag, und weinend schwur: ihr ganzes Dasein einzig meinem Glück zu weihen? Nein! Nein! Die Welt hat sich verkehrt, Du bist's nicht mehr die ich geliebt, für die ich mein Herzblut hingegeben hätte! Alles ist Trug und Falschheit. O fort, hinweg, daß ich die lügnerischen Züge nicht mehr schaue. Stürzt hinaus.

GERTRUD-ELSE bedeckt mit den Händen ihr Gesicht. Wehe mir, verloren Alles! Alles!


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Gesammelte dramatische Werke, Band 9, Leipzig 1863, S. 69-72.
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