Erste Scene

[29] Rose. Denise.


DENISE in einfacher Toilette, ein Journal in der Hand, sitzt im Sopha, zuweilen mit sorglichem Blick nach Rose sehend.

ROSE einfach gekleidet, bleich und angegriffen, sitzt am Schreibtisch den Kopf in die Hand gestützt und scheint im Schreiben in tiefen Gedanken versunken.

DENISE. Das ist doch eine reizende Mode. Weißt Du Rose, solch einen rothen Beduinen mußt Du auch noch vor der Abreise haben. Das wird Dich charmant kleiden.

ROSE aus Gedanken, den Kopf zu ihr wendend, lächelnd. Nein Denise, das paßt nicht in meine Heimath, unter Landleute.

DENISE. Ich kann es noch immer nicht fassen, daß Du dem Landvolk gehören sollst. Das macht wohl, weil Papa uns immer sagte, Dein Vater sei ein reicher Holzhändler; nun, Papa war das früher auch, und da konnte ich mir Euer Haus nicht anders denken, als unser Hôtel. Nun ist es auf einmal eine Bauernwirthschaft wie der Graf neulich sagte! Warum hat mir denn Papa nie davon gesprochen?

ROSE bitter. Er bat auch mich es zu verschweigen. Vielleicht schämte er sich der Gesellschaft zu gestehen – daß er ein Bauernkind in sein Haus aufnahm.

DENISE springt auf und legt den Arm um Rose's Hals. Nein, o nein! Wer könnte sich Deiner schämen! Und Papa liebt Dich so sehr, hat sich so um Dich geängstigt während Deiner Krankheit, und will Dich jetzt ja selbst nach Deutschland bringen, sobald es der Arzt erlaubt. Nein, das ist es gewiß nicht!

ROSE taucht die Feder wieder ein, bittend. Laß mich jetzt meinen Brief an die Mutter beenden, Denise!

DENISE. Ich gehe gleich. Aus Gedanken. Weißt Du – am Ende wollte Charles nichts von Deiner Herkunft wissen lassen.

ROSE dreht rasch den Kopf nach ihr. Dein Bruder? – Was kümmert es ihn, woher ich stamme?

DENISE schelmisch lauernd. Aber – wenn er Dich nun sehr lieb hätte?

ROSE. Charles? Mich? Charles liebt Niemand als sich selbst.

DENISE herausfahrend. Das meinte ich auch, aber Papa sagt: er liebt Dich über Alles und Du werdest bald wieder zu uns zurückkommen, und für immer hier bleiben.

ROSE für sich. Seltsam! Laut. Zurückkommen für immer? Wann sagte er das?[29]

DENISE leise, sich umsehend. Ich darf durchaus nicht davon sprechen, denn weißt Du, ich habe es ganz heimlich erlauscht – aber Du verräthst mich nicht – und es drückt mich hier Auf's Herz. zu schrecklich, ich kann es nicht mehr verschweigen. Zu ihrem Ohr geneigt. Papa rauchte gestern nach dem Souper mit Charles seine Cigarre auf dem Balcon, und glaubte ich wäre schon zu Dir herauf gegangen, ich saß aber hinter dem Epheu; da hörte ich, wie er deutlich sagte: daß Deine Krankheit der Beweis sei, wie sehr Du Charles liebst!

ROSE springt auf. Ich – ich?

DENISE. Ja Du! Charles wollte es nicht glauben – Papa aber versicherte: er habe Dich längst durchschaut, habe Dir den Brief der Schwester nur unterschlagen, um Dein Glück zu retten, weil er gewußt hätte daß Dir das Herz bräche, wenn Du uns jetzt verlassen müßtest.

ROSE wie aus einem Traum. Das – das sagte er?

DENISE. Ja! Und sobald der Arzt erkläre, daß Dir Gemüthsbewegung nicht mehr schaden könne, werde er Deine Hand für Charles fodern.

ROSE legt die Hand an die Stirn, in sich hinein. Meine Hand – für Charles!

DENISE. Ach, wenn Du sie ihm doch geben wolltest, Rose! Dann gingst Du nicht mehr fort in den abscheulichen schwarzen Wald. Schmeichelnd. Willst Du Dir das nicht überlegen?

ROSE heftig. Ja, ja! Laß mich nur jetzt, Denise – ich muß allein sein.

DENISE erschrocken. Ich gehe ja schon. Im Abgehen. Sie ist ganz blaß, hätte ich doch lieber geschwiegen. Seitenthür rechts ab.


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Gesammelte dramatische Werke, Band 10, Leipzig 1863, S. 29-30.
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