Zweite Scene

[41] Vorige. Dore.


DORE von links, hat die letzten Worte gehört, ruhig. Da thät der Vater der Rosel einen schönen Gefallen! Geht zu dem Schreibpult, öffnet, nimmt Papier heraus während sie spricht. Die hat kein Heimweh nach Paris Setzt sich und schreibt. könnt's glauben.

VEIT. Wollt's ihr auch rathen! – Was schreibst?

DORE. Brauch' noch Sachen zu dem Hochzeitsschmauß, die muß mir der Mathes aus der Stadt mitbringen. Im Schreiben. Sardellen, Muscatnuß, Nägelein –

GERTRUD die in Gedanken stand, zu Dore. Aber nach was hat die Rosel dann Heimweh, Dorle? Ihr steckt ja immer beisammen, und Du weißt, was ihr fehlt.

VEIT schmunzelnd. Das kann ich Dir auch sagen, Frau. Auf Pfingsten ist die Rosel Zwanzig – das Heirathen fehlt ihr. Der Theobald Stricker ist jetzt mit seinem Jahr in London fertig, Reibt sich die Hände. ist ein schöner Kerl, und ein fermer Engländer worden, sagt der Bastian –

GERTRUD rasch. So? der ist schon daheim?

DORE für sich. O lieber Gott!

VEIT vergnügt. Der Bastian hat ihn gestern gesprochen in Baden, übermorgen kommt er herauf, na, da wird die Rosel geschwind kurirt sein!

GERTRUD. Meinst? – Paß auf – da wirst Du kurirt werden, Alter! Jetzt probir's mit dem Kommandiren, und sieh zu, ob's Dir mit Deinem Heirathsprojekt nicht g'rad so geht, wie dem Herrn Leblanc!

VEIT stolz. Kann mir nicht geschehen, ich bin der Vater! Bestell nur gleich den Hochzeitsstaat, bei mir giebt's kein' Widerred'.

DORE die immer vom Schreiben lauscht. Weiß der Vater gewiß herüber daß die Rosel den Theobald nimmt?

VEIT. Oho! Nimmt? Versteht sich, ist abgemacht.

DORE ruhig fortfahrend. Weiß nicht ob sichs versteht. Hab nie gemerkt ehe die Rosel in's Frankreich ging, daß ihr der Theobald gefallen hätt'.

VEIT. Was sollst denn gemerkt haben, Naseweis? Die Rosel war kaum Sechszehn dazumal, fromm und ein ehrbares Mädel; da soll sie doch hoffentlich nicht schon nach den Mannsleuten umgeschaut haben? –

DORE kopfschüttelnd. O Vater, das versteht Ihr nicht! – Ich war kaum vierzehn, und hab' in der Kirch', – wenn ich noch so fest in's Betbuch geschaut hab', doch schon nach dem Steffen geblinzelt.

VEIT verblüfft. Was – was?

DORE. Und ich war doch gewiß auch fromm. So was geschieht der ehrbarsten Jungfer, darauf könnt Ihr schwören, Vater!

VEIT verblüfft. Jetzt das gefallt mir!

DORE hat die Papiere zusammen gelegt, behält das Blatt das sie schrieb, in der Hand, hat den Pult geschlossen, steht auf. Für die Lieb' kann Niemand was – und ohne Lieb' heirathet kein rechtes Mädel, da laßt nur das Zureden, Vater, denn das hilft g'rad so viel, als wenn Ihr dem Waldbach predigen wollt: er soll[41] die Steig' hinauffließen – den schert's nicht, der läuft doch in's Thal 'nunter, weil er muß. So ist's Vater, und so bleibt's! Denn so hat's der liebe Gott selber eingerichtet. Ab wo sie kam.

VEIT verblüfft. Ja, was wäre mir denn das? Bin ich denn nicht mehr Herr und Vater im Haus, daß mir das Mädel so was unter die Nas' sagt? Auf einmal wüthend. Himmel Kreuz Sapperment –

GERTRUD befehlend. Fluch nicht, das leid ich nicht! Geschieht Dir ganz recht; thust ja g'rad als hätt' bei dem Heirathen kein Mensch eine Stimm' als Du. Die Rosel wird's Dir noch besser verzählen! die denkt an keinen Brautstand mit dem Theobald. Schlau lächelnd. Du hast Dich ja auch noch nicht getraut von ihm mit ihr zu schwätzen, weil –

VEIT unterbrechend. Weil ich hab' warten wollen bis der Theobald selber da ist, und jetzt –

GERTRUD. Und jetzt thät' ich Dir rathen, daß Du die Sach' stettig angreifst bei dem Mädel. Schau, mit solchen Heirathen die die Alten bei uns schon bei'm Taufschmauß abkarten, ist kein Segen, denn es ist sündhaft die Kinder schon in der Wieg' zu verhandeln wie Kälber, ehe sie noch wissen daß sie auf der Welt sind. Die Jungen müssen sich selber zusammen finden wenn's recht werden soll. D'rum wenn du gescheidt bist, so legst Dich nicht gleich an den Laden mit dem Theobald, sondern wartest erst ab was das Mädel sagt, wenn sie ihn wieder gesehen hat.

VEIT auffahrend. Könnt mir fehlen! Abwarten? Sie soll sich nur unterstehen anders zu wollen wie ich, hernach will ich ihr einmal den Vater zeigen!

GERTRUD sieht sich um. Das kannst jetzt gleich probiren, wenn Du das Herz dazu hast. Da ist die Rosel.


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Gesammelte dramatische Werke, Band 10, Leipzig 1863, S. 41-42.
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