Dritte Scene

[51] Ein Diener. Graf durch den Zaun im Hintergrund von links. Gleich darauf Rose.


GRAF bleich, finster, sichtlich von Kummer gedrückt, im Reisekleid, einen Trauerflor um den Hut; im Hintergrund zu dem Diener. Sobald Sie die Pferde besorgt, bestellen Sie mir Zimmer in dem Neubau Deutet rechts hinein. dort drüben, und dann auf den[51] Anstand, daß Ihnen kein Ankommender entgeht. Sie kennen Ihre Instruction.

DIENER. Auf das Genaueste, Excellenz! – Ab hinter dem Zaun, rechts hinein.

GRAF allein. Ich kann nicht anders! In den Vorgrund gehend. Wenn Felden recht hat, wenn er wahnsinnig genug wäre seine ganze Carrière an seinen Eigensinn zu setzen, so muß das Aeußerste versucht werden. Es handelt sich um Sein oder Nichtsein des erlauchten Geschlechtes, dessen Name unentweiht durch Jahrhunderte herüberklingt – handelt sich um die ganze Zukunft des Undankbaren – Weicher. den ich geliebt habe wie einen Sohn Finster. und den ich trotz seiner Unwürdigkeit nicht zu hassen vermag. – Vergebens kämpfe ich gegen diese Schwäche, sie ist mächtiger in mir als der gerechte Zorn. Adolph ist ein ver irrter Mann, aber er ist Mann, ist das einzige lebende Wesen mit dem Gewohnheit und Neigung mich noch verbinden – Energisch. er darf mir, darf unserm Hause nicht verloren gehen. – Ich setze Alles auf diese letzte Karte! Va banque denn! Geht zu der Hausthüre. Das ist ja das Zimmer, in welchem ich damals das junge Mädchen fand. Sieht durch die offene Thüre hinein. Ob mich der Zufall noch einmal begünstigt? – Es ist leer. So werde ich sie dennoch im Haus suchen müssen. Steigt die Stufen hinauf.

ROSE mit heiterm Gesicht kommt rasch von rechts, hinter dem Zaun, und ruft links hinein. Dorle – Herz-Dorle! Bist Du noch draußen? Du sollst –

GRAF wendet sich rasch zu ihr. Da ist sie selbst. Fräulein Rose!

ROSE fährt zurück, den Grafen anstarrend. Der Graf!

GRAF mild. Sie erbleichen, mein Anblick erschreckt Sie, das ist natürlich. Sie halten mich für Ihren Feind.

ROSE schnell gefaßt, kalt. Ja, Herr Graf, für meinen schlimmsten Feind.

GRAF. Sie thun mir Unrecht, ich bin Ihr Feind nicht, wenn ich auch der Leidenschaft meines Neffen für Sie, in den Weg treten mußte. Sie sind ein seltenes Mädchen, das ich wahrhaft achte, aber Sie kennen die ernsten Pflichten nicht die unser Stand den Trägern alter Namen auferlegt; mein Neffe konnte Sie nur zu seiner Geliebten erniedrigen, nie aber Sie zu seiner Gattin erheben.

ROSE. Wenn ich danach verlangt hätte es zu werden, Herr Graf, so wäre ich es längst – ohne Ihre Zustimmung.

GRAF. Das weiß ich. Sie widerstanden in Paris heldenmüthig der Versuchung zu entfliehen, und ersparten mir die Mühe, den ehrlosen Plan des jungen Leblanc zu vereiteln.

ROSE sieht ihn groß an. Sie wissen –?

GRAF unterbrechend, mit Wahrheit. Ich weiß – daß Sie ein Wesen sind welches jeder Familie zur Zierde dienen würde, und beklage aufrichtig – daß Sie außerhalb des Kreises geboren worden, in welchem ein Hohenfels seine Gattin wählen darf.

ROSE. Ich kenne die Schranke welche Graf Adolph und mich scheidet, und habe entsagt. Was kann Sie nun noch zu mir führen?

GRAF. Die Nothwendigkeit Ihnen offen zu sagen, daß eine Verbindung mit Ihnen für Adolph der sichere Ruin sein würde. Das mußten Sie wissen, denn Sie sind edel genug um nach dieser Erklärung jede Beziehung zu meinem Neffen abzubrechen, falls eine solche noch bestehen sollte.[52]

ROSE stolz. Dieser Erklärung bedurfte es nicht, Herr Graf! Ich wüßte nicht in welcher Beziehung ich noch mit dem Verlobten Ihrer Tochter stehen könnte.

GRAF finster. Meine Tochter – ruht bei ihrer früh entschlafenen Mutter.

ROSE entsetzt. Großer Gott! Julie –

GRAF wie oben. Starb in Nizza, wo wir vergebens Heilung suchten. Ich komme von ihrer Gruft.

ROSE zitternd. Herr Graf! Im Namen Gottes, geben Sie mir Wahrheit! Trage ich diese Schuld – hat sie Adolph geliebt?

GRAF. Wie einen Bruder, niemals anders; sie kannte weder meine Plane für ihre Zukunft, noch seine Liebe für Sie, es trifft Sie kein Vorwurf.

ROSE mit einem tiefen Athemzug. Ich danke Ihnen für dieses Wort, Herr Graf, es gleicht Vieles zwischen uns aus! In Thränen. Ich hatte das bleiche sanfte Kind sehr lieb. Friede mit ihr!

GRAF schwer. Ja, Friede mit ihr, mit mir – der Kampf. Erhebt den Kopf, kalt. Ich habe nun auf Erden nichts mehr zu verlieren und zu wahren, als die unbefleckte Ehre meines Hauses, und wünsche, daß Niemand mich zwinge diese ernste Pflicht die mir obliegt, mit unerbittlicher Strenge zu erfüllen. Ab hinter dem Zaun, rechts hinein.

ROSE allein. Ich verstehe seine Drohung; Ausbrechend. Adolph liebt mich noch – und ist frei! O Vater im Himmel – führe mich nicht in Versuchung! Es darf ja nicht sein!


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Gesammelte dramatische Werke, Band 10, Leipzig 1863, S. 51-53.
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