Dritte Scene

[6] Bertha, Vorige.


GUTTENBERG. Ei, meine liebe Bertha, da bist Du ja! Er reicht ihr mit einem zärtlichen Blick die Hand. Gedulde Dich, Herzensweib, in zehn Minuten bin ich wieder daheim.


Mit Dünne ab.


BERTHA sicht ihm nach, seufzt tief, geht dann in den Vorgrund und legt Gebetbuch und Schleier ab. Sie ist einfach aber sehr anständig gekleidet. Lorenz, was hat der Herr? weshalb geht er von Haus? Er pflegt ja in dieser Stunde sein Laboratorium sonst nicht zu verlassen?

LORENZ kratzt sich verlegen hinter dem Ohr. Ja – es ist – der gnädige Herr hat einen nothwendigen Geschäftsgang –

BERTHA mit sich selbst kämpfend. Lorenz, treue, redliche Seele – ich muß reden, mein Herz will unter dieser Last erliegen! – Sage mir, was geht vor, was ist's mit unserm Herrn? – Als ich ihn vor acht Jahren hier in Straßburg zum erstenmal sah, da war er wohl ernst und schweigsam, doch rechnete ich dies der Sehnsucht nach seiner lieben Vaterstadt zu, die er gezwungen verlassen hatte nach jener blutigen Bürgerfehde. – Im innersten Gemüth aber wurde er heiter und guten Muths, und sein Vermögen war, wenn auch nicht groß, doch hinreichend, meinen bescheidenen Wünschen zu genügen. Wie glücklich waren wir! Ach! jetzt ist es anders! Täglich wird er unzugänglicher, finsterer; unser Wohlstand ist dahin – täglich mehren sich unsere Sorgen, und was ich heute erfuhr – ach, es wird mir schwer, ich mag's nicht länger bergen! – Sonst, wenn ich mich in der Kirche[6] zeigte, trat wohl manche ehrenwerthe Frau aus den adligen Geschlechtern, manche züchtige Jungfrau von den Patriziern zu mir, und wechselte freundlich Gruß und Rede, und jetzt – flieht Alles scheu meinen Blick, man meidet mich, als laste irgend ein schlimmer Argwohn auf mir Unbescholtenen; mit niedergeschlagenen Augen wandeln die Meisten an mir hin, und vorhin, als die Bürgermeisterin in ihren Stuhl trat, und ich mich freundlich grüßend neige – wendet sie hoffärthig den Kopf, schaut nach der Seite, und dankt nicht! Das Blut trat mir in's Antlitz ob solcher Schmach, ich konnte nicht beten, Gott wird mir's vergeben, und bitt're Thränen rollten auf den Psalter in meiner Hand! – Womit habe ich Schuldlose solche Schande verdient? Was ist es für ein Fluch, der plötzlich alle Ehrliebenden aus meiner Nähe scheucht! –

LORENZ tief bekümmert. Der Fluch der Dummheit, der auf dem jämmerlichen Menschengeschlechte haftet! Grämt Euch nicht, edle Frau, glaubt mir's, Ihr habt keine Ursache dazu. Entschlagt Euch nur der quälenden Gedanken. –


Bertha schüttelt den Kopf, sieht ihn forschend an, und geht hinaus.


LORENZ allein. Kann ich doch die wackere Frau nicht sehen, ohne daß mir das Herz blutet! so fromm und gottesfürchtig, so treu und züchtig! und ich sollte ihr den Dolch in's Herz stoßen? Nimmermehr! – Ach ginge der Herr doch von hier –!


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Johannes Guttenberg. Berlin 21840, S. 6-7.
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