Erste Scene

[3] Großer Meßplatz zu Frankfurt am Main. Die Bühne stellt eine bis in den tiefsten Hintergrund laufende Gasse von Meßbuden dar, rechts und links von alterthümlichen Häusern überragt. Ganz vorne rechts ist eine große Bude von drei Abtheilungen, mit prachtvollen Teppichen ausgelegt, auf dem mit einem ähnlichen Teppiche verzierten Ladentische befinden sich goldene Gefäße, in denen prachtvolle Reiherbüsche, große Federsträuße, nach den verschiedenen Farben geschmackvoll geordnet, zum Verkauf stehen; innerhalb der Bude, welche gleichfalls mit Federn aller Art verziert ist, sieht man in der Höhe auf einer Stange mehrere Falken, an goldnen Ketten befestigt, sitzen, mit prächtigen Falkenhauben auf dem Kopfe, darunter zwei weiße Falken. In einer Ecke der Bude steht Antonio Bandini, in reicher italienischer Bürgertracht, und spricht mit seinen Gehilfen. Ihm gegenüber, links die erste Bude, mit zwei Abtheilungen, ist mit reichen Silberarbeiten ausgelegt, die in glänzender Pracht den Ladentisch und das Innere bedecken, Kandelabern von allen Arten, Gefäße, Tafelaufsätze,

Lampen. Wehrgehänge und dgl. hängen von der Decke herab, Beata Auffenthalerin, zierlich,[3] aber ihrem Stande gemäß geputzt, steht in der Bude, geschäftig einer reich gekleideten Bürgersfrau eine Silberkette preisend. Neben ihrer Bude ist ein kleines offenes Ständchen, nach Art armer Krämer, ganz leer. Weiter rückwärts sieht man in dichten Reihen erst eine große Pelzbude, in welcher ein Chinese feil hält, dann eine Bude mit kostbaren Gold- und Silberstoffen, vor welcher ein zierlich gekleideter Lombarde auf und nieder schreitet. Die Wahl der Mannigfaltigkeit der Buden und Costüme ist dem Regisseur überlassen; nur erlaubt sich die Verfasserin die Bemerkung, daß das ganze Treiben nicht in der kleinlichen Art gewöhnlicher Messen gehalten, sondern durchaus großartig seyn muß, und beim ersten Ueberblick auf den Luxus und Reichthum damaliger Zeit hinweisen soll. Im Hintergrunde sieht man Gestalten verschiedenen Alters und Landes sich in regem Leben hin und her treiben, kaufen und verkaufen. Wenn der Vorhang aufgeht, währt die Musik noch einige Takte fort. Viele der Anwesenden handeln und kaufen unbekümmert fort. Als sie weg sind, tritt Bandini aus seiner Bude, einen Hinweggehenden begleitend, dem er einen Federstrauß auf das Barett heftete. Auch die Bürgersfrau geht mit der silbernen

Kette, die sie eingehandelt hat, über die Bühne.


BEATA die Bürgersfrau begleitend. Laßt mich für die Zukunft bestens empfohlen seyn. Zählt ihr Geld. Das war ein harter Kauf; die gute Frau war zäh, und das Geld wollte ihr nicht aus dem Säckel.[4]

BANDINI zurückkehrend von dem Fremden, den er begleitet hat. Einen guten Handel gemacht, Frau Nachbarin?

BEATA. Mag wohl so gehen! Seltsam genug, daß ich mit Männern leichter Handels einig werde, denn mit Frauen; mein Mann versteht es besser, mit diesen zu Stande zu kommen. Mich ärgert das lange Mäckeln, und oft ließe ich sie gehen, stünde er mir nicht zur Seite.

BANDINI. Wo habt Ihr ihn denn heute gelassen? Noch selten sah ich Euch so einsam in der Bude.

BEATA setzt sich in die Bude, den Arm aufstützend. Ja seht, da ward uns doch neulich ein prachtvolles Geschmeide aus dem Laden entwendet, der Dieb ist entdeckt, und heute mußte mein Mann nach dem Rathhause, um dem Verhör beizuwohnen. Der Dieb ist ein armer Teufel, der Weib und Kinder hat, da wollte mein Mann gern zum Besten reden; ich denke: deßhalb bleibt er wohl gar so lange.

BANDINI. Zum Besten reden für einen Meßdieb? O meine gute Beata, da kennt Ihr den Schultheißen Heinrich von Praunheim schlecht, wenn Ihr denkt, der kenne die Worte Mitleid und Erbarmen, obendrein mit einem[5] Schelm. Obwohl ein treuer Anhänger des Kaisers, und obgleich dieser ihn sogar seiner höchsten Freundschaft würdigt, ist er von so strengen Grundsätzen, daß selbst der erhabene Herr mehr als einmal vergebens versuchte, seine eiserne Gerechtigkeit zur Milde zu stimmen.

BEATA. Ja ja; den Ruhm hat er; ich neide ihm solchen nicht. Sie legt eine Kette aus der Hand, an der sie bis jetzt emsig geputzt hat. Aber wo bleibt denn heute Pfeffer-Rösel? Noch immer ist ihr kleiner Stand leer.

BANDINI. Auch mir fehlt das muntere Ding; wo mag sie stecken? Ich bin dem Mägdlein herzlich gut, sie ist so sittig, und dabei voll Muth, so fröhlich, und so recht von Herzen brav; es geht mir etwas ab, seh ich mir gegenüber ihr freundliches Gesichtchen nicht.

BEATA. Auch mir geht es so mit ihr; doch seht, dort kommt sie, athemlos in großer Eile, mit ihrem kleinen Kram beladen, das arme Ding! Sie tritt aus der Bude, und geht dem hereintretenden Röschen entgegen. Da bist Du ja, Pfeffer-Rösel, wo bleibst Du denn? Es waren heute schon viele Käufer da, Du hast etwas versäumt![6]


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Pfeffer-Rösel oder Die Frankfurter Messe im Jahr 1297. Wien 1833, S. 3-7.
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