Zweite Scene

[7] Vorige. Röschen.


RÖSCHEN einfach, aber zierlich in Nürnberger Bürgerstracht gekleidet, einen Kasten auf dem Rücken, kommt von rechts. Sie setzt den Kasten, den ihr Beata abnehmen half, nieder, trocknet sich den Schweiß von der Stirne, und holt tief Athem. Ach, du mein lieber Himmel! das ist ein Weg von dem Sachsenhäuser-Thor bis hieher, absonderlich, wenn Einem das Herz so schwer ist, wie mir das Meine. Danke, danke, gute Beata! Während dieser Rede packte sie aus ihrem Kasten Lebkuchen aller Art, große Reiter, Wickelkinder u. dgl., und stellt Alles, zierlich geordnet, auf ihrem kleinen Ständchen auf, welches sie vorher mit einem weißen Tuche, und mit frischen Blumen schmückte. Bandini tritt zu ihr – ohne sich stören zu lassen, macht sie ihm einen Knix. Schönen guten Morgen, Meister Bandini! Ja, so geht's der armen Pfeffer-Rösel! oft sitze ich in Angst und Hitze den ganzen Tag, und meinen Lebkuchen-Reitern vertrocknet das Mark in den süßen Gebeinen – Sie zieht eben einen stattlichen Reiter heraus, und stellt ihn mit possierlicher Geberde auf, indem sie emsig untersucht, ob er auch noch im guten Stand. wie mir die Hoffnung im Herzen, und Keiner will die kostbaren Pfefferhelden! Und bin ich einmal nicht da, gleich gibt's Käufer! Gib Acht, Beata, jetzt wird es leer bleiben um mein Ständchen, weil die Rösel auf dem Schemel sitzt und wartet. Sie nimmt ein Feldstühlchen aus[7] dem Kasten, und stellt es neben ihren Kram. Da, seht einmal den prächtigen Karl den Großen im Krönungsstaat, mit der Krone von süßen Mandeln, Augen von Rosinen, und dem Scepter von Pommeranzen, und hier den rasenden Roland, seinen durchlauchtigen Neffen. Sie stellt sie auf. Ach – die stehen schon seit 14 Tagen hier Schildwache, und Keiner geht vom Flecke! Ihr könnt mir's glauben, Meister Bandini, Honig und Pfeffer ist in Masse daran vergeudet, ich und die Fliegen haben sie freßlieb, aber nur sonst Niemand. Traurig. Sie werden altgebacken, schnurren ein, und Keiner will sie haben.

BEATA kehrt wieder in ihre Bude zurück. Aber, wo bleibst Du denn heute auch?

RÖSEL traurig. Ach, Beata, heute Nacht war die Mutter wieder recht krank – der Doctor mit dem rothen Rock will nicht mehr kommen, weil wir ihn nicht Macht die Pantomime des Geldzählens. – nu – weil – Ärgerlich. nun Du kannst Dir denken, warum – wenn meine Lebkuchen-Reiter nicht im Galopp fort wollen, kommt die Rösel auch nicht vom Fleck! Da saß ich die ganze Nacht bei der armen Mutter, und reichte ihr, was ich in meiner Angst und Noth auftreiben konnte. Gegen Morgen nickte sie ein wenig ein, und da mögen mir wohl auch die Augen zugefallen seyn, denn als ich erwachte, stand die Sonne schon hoch. Gerührt und innig. Da machte ich mich auf, und dachte: Habe ich auch ein[8] paar Pfennige versäumt, schläft doch die Mutter einmal wieder.

BANDINI. Gute Rösel.

RÖSEL. Ei was, gut. Das ist meine Pflicht.


Mehrere Käufer treten an Beatens Bude.


RÖSEL ruft ihnen zu. Süße Pfefferkuchen aus Nürnberg, nur näher, hohe Herrschaften! Schöne Damen, hier gibts Männer, süß wie Honig; meine Herren, kostbare Frauen von Zucker, tretet näher, Alles billig, sehr billig.


Die Käufer gehen an Röschen vorüber.


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Pfeffer-Rösel oder Die Frankfurter Messe im Jahr 1297. Wien 1833, S. 7-9.
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